Interview mit Finola Cronin, 17.8.2018 (1/2)
Finola Cronin spricht mit Ricardo Viviani über ihr Tanzstudium und wie die politischen Umbrüche in Irland viele ihrer Entscheidungen beeinflussten, vor allem die Entscheidung für Ballett oder traditionellen irischen Tanz. In London vertiefte sie ihre Kenntnisse im Modern Dance und begann ihre berufliche Laufbahn. Dann arbeitete sie als Tänzerin in der Frankfurter Kompanie von Vivienne Newport, anschließend für das Tanztheater Wuppertal. Heute ist sie Theaterwissenschaftlerin. Ihre Erinnerungen verbinden sich mit Reflexionen über Grundprinzipien, die dem Werk von Pina Bausch zugrunde liegen.
Interview in englischer Originalsprache mit deutschen Untertiteln.
© Pina Bausch Foundation
Interviewte Person | Finola Cronin |
Interviewer:in | Ricardo Viviani |
Kamera | Sala Seddiki |
Permalink:
https://archives.pinabausch.org/id/20180817_83_0001
1. Familie und Ausbildung
Kapitel 1.1
Tanz in Irland
Ricardo Viviani:
Wie bist du zum Tanz gekommen?
Finola Cronin:
OK … wir können sehr weit zurückgehen, denn meine Mutter hatte die Idee, dass sie wollte, dass ich Ballettkurse besuchen kann. Das hat in Irland einen interessanten Hintergrund, denn Ballett galt als etwas ziemlich Fremdes, und der traditionelle irische Tanz war etwas, das den Kindern in der Schule oft, sagen wir mal, aufgedrängt wurde. Aber Ballett hat einiges gekostet, denn es gab nur Privatlehrer. Und in gewisser Weise deutet das vielleicht auch auf eine sehr beiläufige, informelle Art und Weise darauf hin, ob man eher republikanisch eingestellt ist oder nicht, in Bezug auf den irischen Nationalismus, oder ob man eher den Blick nach außen richtet, auf die imperialen Vorstellungen des Balletts. Das sind Dinge, die offensichtlich später in Irland, mit den Troubles in Nordirland, sehr umstritten wurden, zwischen Republikanismus – Nationalismus – und denjenigen, die Unionisten ist und so weiter, und das ist ein Erbe in Irland, das wir auch heute noch haben. Wie auch immer...
Ich gehe ein bisschen zurück: Ich begann vielleicht Mitte der 60er Jahre mit einem lokalen Lehrer zu tanzen und lernte nach dem Lehrplan der Royal Academy of Dancing und ich liebte ... Es schien mir das einzige zu sein, was ich gut konnte. Ich war in der Schule gut genug, aber ich war keine großartige Schülerin. Und so habe ich es geliebt zu tanzen, ich habe es geliebt, Musik aufzulegen und endlos zu tanzen. Wir hatten eine Art Wintergarten im hinteren Teil des Hauses und ich konnte dort endlos tanzen, Musik anmachen, Platten auflegen und nur tanzen und tanzen und tanzen. So habe ich, glaube ich, die Grundlagen des klassischen Balletts gelernt bis … ungefähr bis ich 14 Jahre alt war. Eine eigenartige Sache war dann in Irland, weil uns keine weitere Ausbildung zur Verfügung stand, um professionell Tanz zu studieren, war der Weg normalerweise … Und was zum Beispiel im Vereinigten Königreich, das ja direkt neben Irland liegt, passiert ist, war, dass die Schüler und Schülerinnen für die Royal Ballet School vortanzten, angenommen wurden und dann im Alter von 12 Jahren ihre Eltern verließen und Internatsschüler wurden an den verschiedenen Schulen, um Ballerinas zu werden und sich der Royal Ballet Company anschließen zu können und so weiter. Im Alter von 14 oder 15 Jahren hatte ich wirklich das Gefühl, dass ich meine Chance, Tänzerin zu werden, verpasst hatte. Es gab also bereits ein Gefühl des Verlusts, tanzen zu wollen, aber in Irland nicht die Möglichkeit zu haben, professionell studieren zu können.
Ich tanzte jedoch weiter, lernte weiterhin klassisches Ballett und traf dann zufällig eine Lehrerin, die nach Irland kam, die bei Martha Graham studiert hatte. Ihr Name war Thérèse Nelson. Damit öffnete sich eine ganz neue Tür nicht nur für mich, sondern für viele Tänzer in dieser Zeit in Irland, weil es natürlich möglich war, später im Leben zeitgenössischen Tanz zu studieren. Man musste diese geschliffene Technik nicht bereits im Alter von 18 Jahren haben. Das hat meinem Ehrgeiz die Tür geöffnet. Ich studierte dann in Dublin kurz mit Thérèse Nelson und dann mit einer Frau namens Joan Davis, die wirklich maßgeblich an der Entwicklung des zeitgenössischen Tanzes als Kunstform in Irland beteiligt war. Und sie arbeitet heute noch, ein wenig angrenzend im Bereich des Body-Mind-Centering und so. Und sie war für mich entscheidend, weil sie mich zuerst nach London zur London School of Contemporary Dance zu Wochenendkursen gebracht hat – sie hat mich gesponsert. Das war meine erste Verbindung mit dem professionellen zeitgenössischen Tanz. Die Schule und dann natürlich die London Contemporary Dance Company.
1978 besuchte ich die London Contemporary Dance School und das hat mir wirklich die Tür zum zeitgenössischen Tanz geöffnet. Aber das war amerikanisch geführt, wenn man so will. Dies war die Schule, die Martha Graham durch Robert Cohen gegründet hatte. Meine Lehrer waren außergewöhnlich. Ich hatte Jane Dudley, die ein ursprüngliches Mitglied von Martha Grahams Kompanie war – sie war die wesentliche Lehrerin in meinem ersten Jahr – Noemi Lapzeson, ebenfalls ein Kompaniemitglied, Juliet Fisher, Bill Louther, außergewöhnliche Tänzer ... Nina Fonaro war dabei mit einem Lehrer für Choreografie. Und das waren außergewöhnliche Klassen, wir hätten immer Live-Begleitmusik. Es war so aufregend! Es war sehr aufregend! Und mit Jane Dudley zu arbeiten, war einfach phänomenal. Sie war wirklich eine außergewöhnliche Lehrerin.
Anschließend bin ich nicht lange in der Schule geblieben. Ich hatte das Gefühl, ich sei alt genug, um weiter zu ziehen, und ich arbeitete dann intensiv mit einer Frau namens Maria Fay zusammen, die eine ungarische Ballettlehrerin war, und deren Klassen, hochtechnisches klassisches Ballett ... Wenn man so will, ging ich in gewisser Weise zurück zum klassischen Ballett und entschied, dass ich wahrscheinlich keinen Job bekommen würde auf meinem Hintern sitzend, auf meinem Po den ganzen Tag, wie du es den ganzen Tag in Martha Grahams Arbeit tust. Ich hatte das Gefühl, ich musste wirklich aufstehen und beginnen, meine Beine und Arme viel mehr zu benutzen, also war Maria Fays Arbeit wirklich interessant und ihre Klassen waren wie Performances. Sie selbst führte ihre Klassen durch und hatte die außergewöhnlichste Technik, russische Technik. Sehr aufregende Leute kamen in diese Klassen, das war alles in London, im Open-Class-System, sodass man nie wusste, wen man im Unterricht treffen oder sehen würden. Die Stars des königlichen Balletts kamen zu ihren Klassen und so, das war inspirierend. Also das war der Anfang meines Trainings.
Kapitel 1.2
Die ersten professionellen Erfahrungen
Ricardo Viviani:
Aber das ist schon 1978, es folgten also deine ersten Engagements ...
Finola Cronin:
Also kam ich dort an, kündigte und verbrachte dann die Zeit damit, darüber nachzudenken, wohin ich als nächstes gehen würde. Und ich habe die Audition-Tour gemacht, wie es die Leute damals getan haben. Sie zogen weiter. Und so bin ich in Wuppertal gelandet – das war schon 1981. Ich habe bei Pina vorgetanzt. Das Skurille ist, dass ich in all den Jahren, in denen ich hier war, diese Verbindung mit Pina völlig vergessen habe, es kam nie wieder auf. Aber was sie damals tatsächlich zu mir gesagt hat, war: "Du bist wunderbar, aber du bist sehr jung. Komm später zu mir zurück.“ Das war eine seltsame Vorstellung, dass Pina 1981 immer noch im Ballettsaal vortanzen ließ. Es waren vielleicht 20 Leute da. Fünf Jahre später in New York waren es vielleicht 120 Leute, die sich der Kompanie anschließen wollten. Ich erinnere mich an Anne Martin – wir haben das Training der Kompanie besucht. Das war das Vortanzen und dann haben wir ein bisschen gearbeitet. Das war also 1981.
Anschließend bin ich nach diesem Jahr in Coburg nach London zurückgekehrt bin. Ich hatte auch einen Vertrag. Ich kann mich nicht an den Namen des Ortes erinnern. Es fällt mir später noch ein. Schindowski war der Choreograf. Ich hatte den Vertrag zu Hause und habe ihn nicht unterschreiben, weil ich nicht wirklich dahingehen und mit ihm arbeiten wollte.
Ich bin also nach London zurückgegangen und in den Toiletten der Urdang Academy stellte mich jemand Vivienne Newport vor. Vivienne Newport startete ihre Kompanie in Frankfurt und sie hielt eine Audition. Sofort, als ich das Vortanzen bei Vivienne gemacht habe ... Sie hat uns gebeten, etwas wirklich Einfaches zu tun. Sie sagte: "Ich möchte, dass ihr nur durch den Raum geht." Sie gab eine Art sehr einfaches Warm-up und dann fing sie an, uns zu bitten, Dinge ganz simpel zu machen: Gesten oder gehen oder so. In einem bestimmten Moment sagte sie: "Ich möchte, dass ihr nur durch den Raum geht, und ich möchte, dass ihr euch das und das vorstellt." Ich kann mich nicht erinnern, was sie gesagt hat. Ein Teil von mir sagte: "Ich bin nach Hause gekommen. Das macht für mich so viel Sinn" – dein Tanztraining zu nutzen, aber auch andere Ideen darüber hinaus anzuwenden, dieses Training irgendwie nutzen, um gewissermaßen eine normale Person zu werden. Es war also so, wie ich annehme, ein bisschen so, wie Schauspieler arbeiten. Es war, als würde man viele Schichten unterschiedlicher emotionaler Zustände durchlaufen. Ich dachte plötzlich: "Ich mag das wirklich." Und was auch immer sie uns gegeben hat, vielleicht einige kleine gestische Sequenzen, es schien viel Spaß zu machen.
Das war also 1981 und sie hatte Peter Hahn getroffen in Israel, glaube ich, auf Tour mit Pina. Peter hatte zu ihr gesagt ... Sie wollte gerade Pina verlassen. Sie war seit sieben Jahren bei ihr. Sie war aus der ursprünglichen Gruppe in Essen gekommen. Pina hatte sie gebeten, mit ihr nach Wuppertal zu kommen. Sie hatte all diese erste Arbeit geleistet, diese außergewöhnliche Grundlage für das, was das Repertoire werden sollte. Und sie wollte wirklich gehen und ihre eigene Arbeit machen. Und Peter Hahn sagte: "Nun, du gehst. Ich kann dir einen Platz im Theater am Turm in Frankfurt anbieten.“ Dieses Theater wurde gerade eröffnet – glaube ich. Ich glaube nicht, dass es seit dem ganzen Fassbinder-Skandal offen war. Es wurde gerade wiedereröffnet. Es ist ein wunderschöner Raum, wirklich schöner Raum, in Bezug auf das Farbschema ähnlich dem Raum, in dem wir sitzen. Es war schwarz und weiß, schwarze Böden, weiße Säulen und so weiter, schöne Theatergröße, ein schönes Auditorium, eine schöne Bühne, wirklich nette Leute dort. Sie war quasi in der Freien Szene in Deutschland, aber sie hatte auch das Glück, an ein Theater angebunden zu sein. Sie hatte viel Unabhängigkeit und Peter Hahn, der Intendant, unterstützte sie sehr.
Mit ihr haben wir in ungefähr vier Jahren 11 Stücke gemacht. Im Jahr 1984 waren wir auf Tour auf Kampnagel. Wir spielten das Eric Satie-Stück, das Vivienne für 3 Tänzer und einen Pianisten geschaffen hatte, in dem wir Songs sangen, eine Art Kabarett-Stück. In dem Jahr war Pina war mit Arien, glaube ich, auf Kampnagel. Die große Sache war, dass Pina und einige aus der Kompanie uns in diesem Stück sehen wollten. Ich erinnere mich, dass Vivienne sehr nervös war. Wir hatten alle aus irgendeinem Grund Angst; Vivienne war völlig nervös. Und ich hatte in gewisser Weise das Gefühl, dass ich wieder Glück hatte, weil Pina mich tatsächlich hat aufgetreten sehen. Und anschließend kam ich vielleicht im November, Dezember nach Wuppertal und habe erneut vorgetanzt. Ich hörte nichts und dann hatte ich plötzlich einen Vertrag in der Post, um zu kommen und mit Pina zu beginnen. Das muss vielleicht Januar, Februar 1985 gewesen sein. Ich sollte sofort kommen und das Repertoire lernen. Das machte ich.
Meine erste Aufführung war in La Fenice in Venedig 1985, wahrscheinlich im Juni. Die Kompanie machte dort eine sehr lange Tour, vielleicht sechs Wochen. Ich war ungefähr zwei Wochen dort oder so. Das war der Anfang (lacht) – vom Vorlauf bis zum Arbeiten mit Pina.
Kapitel 1.3
Folkwang und Vivienne Newport
Ricardo Viviani:
Vivienne Newport ist auch nach Essen-Werden studiert. Wie siehst du ihre Arbeitsweisen im vergleich zu Pina Bausch?
Finola Cronin:
Meine Einschätzung der Zusammenarbeit mit Vivienne: Es war das erste Mal, dass ich mit diesen Aufgaben gearbeitet hatte, mit einer sogenannten Improvisation, die sie ... Das ist ein erwähnenswerter Punkt, weil Vivienne gab uns Aufgaben. Beim ersten Stück, an dem wir gearbeitet haben, waren wir fünf Tänzer: drei Frauen, zwei Männer. Wir haben ungefähr zweieinhalb Monate lang gearbeitet und das Stück hieß Mist. Es wurde Anfang 1982 uraufgeführt, glaube ich. In der Art und Weise, wie Viviennes Prozess funktionierte, nahm sie eindeutig Ideen von Pina auf, was das Fragenstellen anging. Der Unterschied war, denke ich, dass sie viel Improvisation zugelassen hat. Bei Pina hatte ich den Eindruck, dass Pina eine Aufgabe stellt, aber sie erwartet, dass diese Aufgabe entwickelt wird, dass die Form der Aufgabe gedanklich gestaltet wird, und man macht sich Notizen, bevor man die Aufgabe ausführt. Das war mit Vivienne nicht das Gleiche. Bei Vivienne, würde ich sagen, hat man seine Improvisation gemacht und ging dann zurück und hat geschrieben, was man gemacht hat. Es ist also nicht so eine Art Komposition in der gleichen Weise.
Die andere Sache war auch, dass es bei Vivienne eindeutig eine kleinere Gruppe war, und mein Gefühl war, als ich zu Pina kam, dass Pina editierte. Man konnte aufstehen und eine Aufgabe machen, eine Aufgabe, die fünf oder sechs oder zehn Minuten dauerte, und es war sehr selten, dass Pina einem erlaubte, genau das auf der Bühne zu machen. Es wurde gekürzt, bearbeitet, weitergearbeitet, geformt, erweitert oder reduziert oder was auch immer. Bei Vivienne schien diese Bearbeitung nicht dieselbe Energie zu erfordern. Um es mal so auszudrücken. Das mag daran gelegen haben, dass sie weniger Leute bei der Arbeit hatte. Oder es könnte daran liegen, dass sie mehr von einem Durchgang wollte, für einige Ideen mehr Entwicklung von bestimmten Szenen und so weiter. Ich bin mir nicht sicher. Ich müsste mir ihre Arbeit jetzt fast noch einmal ansehen, was ich bisher noch nicht tun konnte, um genau zu sehen, wie sie aussieht. Ich habe nur eine Erinnerung aus der Innenperspektive heraus. Bei der Arbeit von Pina zum Beispiel saßen wir oft draußen und beobachteten, was passierte, und sahen uns auch das Repertoire an. So wurde man in vielerlei Hinsicht mit vielen von Pinas Arbeiten vertraut, sowohl durch Zuschauen als auch durch Mitmachen. Bei Vivienne hingegen war es immer von innen heraus. Das wäre also ein besonderer Unterschied, den ich zwischen Viviennes und Pinas Arbeit sehen würde.
Vivienne war auch sehr konzeptionell. Sie war eine sehr gute Leserin. Sie war in der Tat ein ziemlicher Intellekt, sehr gut informiert. Sie sprach ausgezeichnet Deutsch. Sie war sehr belesen in Englisch und in Deutsch. Sie ging viel intellektueller an die Dinge heran. Sie arbeitete nicht – wie ich vermuten würde, dass Pina es tat – mit viel Gefühl und Instinkt. Ich glaube, Vivienne war bedächtiger, bewusster, intellektueller ... konzeptueller orientiert.
2. In Wuppertal
Kapitel 2.1
Die erste Spielzeit
Ricardo Viviani:
In dieser ersten Spielzeit gab es also Two Cigarettes in the Dark , Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört, „1980", Arien, Kontakthof, Café Müller, Renate wandert aus und Die sieben Todsünden. Hast du all diese Stücke gelernt?
Finola Cronin:
(lacht) Abgesehen von Two Cigarettes in the Dark. Das habe ich alles gelernt. Ich sollte anschauen … auf jeden Fall Das Frühlingsopfer, was eine Qual war, weil ich noch nie so gearbeitet hatte. Ich hatte meinen Körper noch nie in diese Positionen gebracht: eine Schulter heben, in der Hüfte sitzen, Kopf zurück. Es war einfach quälend, ich glaube – ich weiß – als ich kam – ich glaube, es war im März '85, und ich arbeitete viel mit Beatrice Libonati, und ich ging direkt nach dem Unterricht, und nach dem Unterricht arbeitete ich mit Hans Pop, und dann ging ich nach Hause und lag den größten Teil des Nachmittags in der Badewanne und kam zurück und arbeitete – Soloarbeit mit Beatrice, vielleicht zwei Stunden die gleiche Bewegung machend, und ging zurück und in die Badewanne und ging ins Bett und stand auf und wiederholte das am nächsten Tag. Mein Körper war völlig gequält. Völlig gequält. Es hat lange gedauert, bis ich mich an diese Bewegungen gewöhnt hatte. Sie waren mir überhaupt nicht vertraut. Für Leute, die von Folkwang kommen, war das natürlich ihr Training. Für mich war es wirklich sehr, sehr anders. Es war also eine große Sache. Und zu dieser Zeit unterrichtete Jean Cébron, ein bisschen Hans Züllig. Dominique unterrichtete auch noch viel. Ich musste also die Gruppentänze für * Die Sieben Todsünden“ und Das Frühlingsopfer lernen. Ich wurde gebeten, mir Café Müller anzuschauen, weil Nazareth kurz davor war zu gehen. Also habe ich mir das angeschaut. Ich habe mir Arien angeschaut. War Arien das Jahr darauf? Ich habe mir Renate wandert aus angesehen? Renate wandert aus habe ich nur viermal performt und ich bin für Nazareth eingesprungen. Ich erinnere mich, dass ich hinter der Bühne alles aufgeschrieben hatte, weil ich mich immer noch nicht erinnern konnte. Es war ein so kompliziertes Stück und ich hatte so viel zu tun. Es hat großen Spaß gemacht, aber ich bin wirklich hinter die Bühne gerannt, um zu sehen, was als Nächstes passieren würde. Dann bin ich rausgelaufen und habe das richtige Kostüm geholt, das war urkomisch.
Was habe ich noch gelernt? Kontakthof natürlich, weil wir damals auf eine große Tournee gingen. Im September 1985 ging es nach Kanada und dann runter nach New York. Dafür mussten wir Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört kennen und Kontakthof. Bei Arien war ich nicht dabei. Ich habe zugeschaut. Obwohl nein, ich war nicht da, weil mein Vater gestorben ist, also bin ich zurück nach Irland gegangen, ich Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört „Gebirge"* war der Gruppentanz. Das war also der Anfang.
Kapitel 2.2
Weitergabe
Ricardo Viviani:
Wenn wir über Jean Cébron sprechen und zu diesen verschiedenen Trainings kommen, ergeben die Dinge dann irgendwie einen Sinn, fügen sie sich zusammen...
Kapitel 2.3
Ein Stück lernen oder kreieren
Finola Cronin:
Ja, allmählich. Für mich war es ein allmählicher Prozess. Es geschah nicht über Nacht. Ich persönlich hielt Jean Cébron für einen faszinierenden Lehrer, aber ich habe nicht immer verstanden, worauf er hinaus wollte. Er war jemand, der vielleicht Architektur studiert hat, oder war das Laban. Ich weiß, dass Laban Architektur studiert hat. Ich glaube, er hat sich sehr für den Raum interessiert. Das war ziemlich faszinierend. Ich mochte die Kurse von Hans Züllig sehr. Später wurden wir richtig gute Freunde. Auf Tournee verbrachten wir viel Zeit in Cafés und so weiter. Und irgendwann fing ich an, diese Bewegungen wirklich zu verinnerlichen, denn ich sah, dass vieles von dem, was Hans Züllig lehrte, in Pinas Choreografie durchkam. Sehr viel sogar. So hatte ich das Gefühl, dass ich mit dieser Technik, die er vertrat und lehrte, stärker wurde.
Finola Cronin:
Es gibt viel zu bedenken – und ich bin sicher, dass andere Leute Ideen dazu beigetragen haben –, was das Erlernen von Rollen in Pinas Arbeit betrifft. In Bezug auf ihre Anweisungen, wann sie Anweisungen gab in Bezug auf deine Rolle und die Art und Weise, wie man bestimmte Rollen verkörpern musste, das eigene Selbstvertrauen dabei, wie weit man mit bestimmten Ideen gehen durfte und wo man Grenzen setzen musste ... Exaktheit: Wann musste man genau das tun, was jemand zuvor geschaffen hatte, und wann hatte man Spielraum? Es gibt also eine enorme Varianz bei den Rollen, die ich gelernt habe, bei all den Stücken des Repertoires, die ich gelernt habe. Aber was ich damals von meinen Kollegen am Tanztheater mitbekommen habe, war ganz klar: Solange man kein Stück mit Pina macht, weiß man nicht wirklich, wie sie arbeitet. Man fühlt sich nicht als Teil der Truppe, bis man ein Stück mit ihr gemacht hat. Es war auch ein Prüfstein für Pinas Beziehung zu dir und für deine Beziehung zu ihr. Das war also eine Art Übergangsritus, der stattfinden musste, der sich vollziehen musste. Ich hatte auch von Kollegen gehört: „Pina ist im kreativen Prozess völlig anders. Sie ist extrem offen für alles, was du tust.“ Das war auch meine Erfahrung, dass man Pina eigentlich alles bei einer Aufgabe vorlegen konnte. Sie würde es niemals ablehnen. Es kann sein, dass es nicht in der Aufführung landet. Es kann sogar sein, dass es bis zur letzten Minute Teil der Ideen für ihre Reihenfolge bei der Aufführung ist. Und dann konnte es verworfen, weggenommen werden. Aber sie war immer offen, großzügig und ermutigend, wenn man ihr seine Ideen zeigte. Das ist eine grundlegende Art und Weise, mit der sie arbeitete, die von allen Tänzern so geschätzt wurde, so entstand Vertrauen.
Wir haben auch die Arbeit anderer Leute mit großem Respekt betrachtet. Also die ganze Idee des Respekts und der Kommunikation über Ideen ... Es ist manchmal sehr schwer: Du schaust dir die Arbeit an, die Aufgaben der anderen Kollegen, und du denkst wirklich: „Was machen die denn hier? (lacht) Ich verstehe das nicht und wie passt das, was Soundso macht, zu Pinas Aufgabe?“ Und das war etwas, was man vielleicht privat denkt, aber man würde es nie zeigen. Und ich behaupte nicht, dass Pina so dachte; ich behaupte genau das Gegenteil. Ich sage, dass Pinas ganzes Verhalten so war, dass sie alles annahm in einer sehr neutralen Weise – aber in einer sehr ermutigenden, in einer sehr positiven Weise. Die ganze Atmosphäre in der Lichtburg, im Proberaum, während des kreativen Prozesses war wirklich positiv, was das emotionale Umfeld angeht, das geschaffen wurde. Ich glaube, sie hat sehr gut verstanden, wie schwierig es ist und wie herausfordernd es für jeden war, aufzustehen und einen Teil seiner persönlichen Geschichte zu erzählen, was es normalerweise auch war. Oder der Kampf, den wir oft hatten und den ich bei einigen meiner Kollegen gesehen habe, die schon lange in der Truppe waren – und ich glaube, das habe ich auch bei mir selbst festgestellt, je mehr ich mit Pina gearbeitet habe – war, dass man wirklich das Gefühl hat, ich habe eigentlich nichts mehr zu sagen. Wenn man nach zwei Monaten bei den Proben an einen Punkt kommt, an dem man immer noch neue Ideen entwickeln muss, fühlt man sich völlig ausgetrocknet oder hat nichts mehr zu sagen oder ist erschöpft. Ich glaube, Pina hat das alles verstanden, sie hat wirklich ... Man hatte das Gefühl, dass sie auch unseren eigenen Kampf verstanden hat. Das war es, was ich fühlte – ich sollte nicht immer „wir“ sagen -, dass ich das Gefühl hatte, dass sie verstand, wenn es schwierig wurde. Sie hat versucht, mitfühlend zu sein. Das ist meine Einschätzung.
Die Dinge begannen sich dann ein wenig zu verändern, wenn sie anfing zu editieren, wenn sie anfing, Dinge wegzuwerfen. Ich glaube, ich sagte es bereits, als wir das Interview mit Jan, Urs und mir führten und über Viktor sprachen. Ich meine, die wichtigste Lektion, die mir meine Kollegen mit auf den Weg gegeben haben, war: „Du musst sicher sein, dass du weißt, was du tun willst, bevor du es tust, denn du musst es wiederholen.“ Für mich sind die Aufgaben komponiert, komplett komponiert, und ich bin manchmal etwas irritiert, wenn ich lese, was Leute über den Prozess sagen, weil ich das Gefühl habe, dass das etwas ist, was in der Literatur über Pinas Arbeit – die ich gelesen habe – nicht wirklich verstanden wird. Das ist eine ganz andere Art von Prozess.
Kapitel 2.4
Pinas Fragen
Ricardo Viviani:
Was genau findest du nicht zutreffend, wenn der Prozess von Pinas Fragen beschrieben wird?
Finola Cronin:
Ich beginne mit dem Gedanken, inwieweit ist das Material für das Stück, auch wenn es von Pina geprägt ist, inwieweit ist ... Wo ist die Grundlage? Wo ist die eigentliche Grundlage für diese Ideen? Für mich ist klar – und ich glaube, Gabriele Klein hat das aufgegriffen –, dass es ein Interesse von Pina gibt, dass es ein Gefühl gibt von „das ist das Universum; es ist ein Mikrokosmos der Welt, es gibt alle Arten von verschiedenen Nationalitäten und so weiter, die mich interessieren, verschiedene Formen von Menschen“. Es gibt also eindeutig diese Verbindung durch die Aufgaben und die Fragen, im Sinne von „was bringst du in dieses Material ein, das schlussendlich auf der Bühne reduziert oder erweitert wird oder was auch immer?“ Aber es muss diese persönliche Verbindung geben, vom Ursprung her, von der Entstehung her, eine persönliche Verbindung, weil man direkt gefragt wird, „was ist mit der Sonne“ zum Beispiel. Oder sie fragte oft: „Weihnachtstag“. So etwas in der Art. Sie ist also daran interessiert, welche Erfahrungen man mit Weihnachtstagen verbindet. Pina gibt natürlich zu Protokoll, dass die Aufgaben und die Informationen, die aus diesen Fragen hervorgehen, eigentlich nicht sehr wichtig sind. Wie wir wissen, gibt sie das zu Protokoll, wenn sie sagt: "Es bedeutet nicht so viel, die sind nur kleine Fragmente.“ „Ich muss alles zusammenbringen“, sagt sie.
Aber so einfach ist es natürlich nicht. Selbst wenn sie es so gesehen hat, bin ich mir nicht sicher, ob sie das wirklich die ganze Zeit gedacht hat. Vielleicht hat sie das manchmal gedacht. Aber das ist für mich die Verbindung zu verschiedenen Kulturen, zu der so genannten Idee des Universalismus oder der Inklusion, was meiner Meinung nach der menschliche Aspekt ihrer Arbeit ist … dass sie Menschen verschiedener Nationalitäten, verschiedener Kulturen miteinander verbindet, um sie zusammenzubringen, um zu sehen, wo sind die Verbindungen, wo sind die Unterschiede, wo gibt es Unterschiede und wo gibt es Gemeinsamkeiten und so weiter. Manchmal habe ich das Gefühl, um auf Ihre Frage zu antworten, dass, weil der Begriff Improvisation zumindest im Englischen bedeutet, dass man mit dem Kern einer Idee beginnt und sie dann an einen anderen Ort bringt und seiner Fantasie erlaubt, damit zu spielen. Und bei der Komposition – ich spreche hier das Offensichtliche aus – hat man das natürlich zunächst durchdacht. Dann performt man es – man inszeniert es – aber man weiß, wo der Endpunkt ist. Das ist also ein ganz anderer Prozess – meiner Meinung nach. Und ich glaube, das ist mir in einigen der Texte, die ich lese, nicht so klar. Es scheint, übergangen zu werden. Und vor allem, wenn man an jemanden wie Eugenio Barba denkt, der vor allem mit Improvisation gearbeitet hat – in der Welt des Theaters –, ist diese Idee der Improvisation etwas, das oft langwierig ist und entwickelt wird, und dann haben die Leute eine ganze Palette von Material, sagen wir, Barba hat eine ganze Palette von Material aus seiner Performance und dann arbeitet er im Anschluss daraus eine Idee aus. Verstehen Sie das? Ich bin jetzt hier sehr pedantisch mit dieser Sache. Das ist nicht der Prozess, den ich bei Pina erlebt habe, ganz und gar nicht. Das war viel konzentrierter.
3. Der Wissenstransfer
Kapitel 3.1
Die Genese kennen
Ricardo Viviani:
Wie wichtig war das Lernen eines dieser Stücke, das sehr persönliche Verbindungen zu einer bestimmten Person hat? Wie wichtig war es in verschiedenen Phasen zu dieser Person zurückzukehren und zu fragen: „Erinnerst du dich, was die Fragen da waren?“ Wahrscheinlich in dem einen oder anderen Aspekt in verschiedenen Stücken. Was denkst du darüber?
Finola Cronin:
Für mich war das wirklich wichtig, der Ursprung. Es war für mich wichtig zu wissen, wer diese Arbeit geschaffen hatte. Da ich dabei war – und ich begann 1985 wirklich zu arbeiten – gab es immer noch eine Menge Ensemble-Gedächtnis, wenn man so will, ein gemeinsames Gedächtnis von der ursprünglichen Besetzung. Ich kam auch bewaffnet mit einer Menge von Viviennes Ideen von ... Sie hatte mit mir ausgiebig über die Arbeit mit Pina und über die Persönlichkeiten gesprochen, so dass ich mit einer Menge Vorwissen über die Persönlichkeiten und die Kollegen ankam – ich sage nicht, dass es authentisch und wahr war, aber es war sicherlich eine Art von Wissen – bevor ich überhaupt anfing, mit ihnen zu arbeiten. Wie wichtig ist das? Ich nehme an, es hängt auch davon ab, wie man als Tänzerin, als Performerin arbeitet und wie man zum Beispiel die Bänder anschaut, wie man gucken und lernen kann. Ich meine, da Pina nicht mehr unter uns ist, ist das natürlich eine ganz andere Diskussion, denn meine Erfahrung ist auch, dass Pina einige der Rollen aufgeteilt hat, so dass es keine durchgehenden Rollen der Originalbesetzung waren, weil sie vielleicht sagte: „Nun, ihr seid sehr gut in den meisten dieser Rollen, aber es gibt ein oder zwei Szenen, die ich gerne von jemand anderem übernehmen lassen würde.“ Das ist dann passiert. Die Kontinuität der ursprünglichen Besetzungen, der Rollen, war also bereits gebrochen, als ich 1985 begann. Es waren also bereits Änderungen vorgenommen worden, zum Beispiel die Rolle von Vivienne Newport in 1980. Ein Teil davon wurde von verschiedenen Personen übernommen, je nachdem, ob es gerade passte oder ob es zum Beispiel der Szene entsprach. Während der Großteil ihrer Rolle vielleicht von einer Person übernommen wurde, wurde sie nicht in der gesamten Produktion beibehalten.
4. Einzel-Training
Kapitel 4.1
Einzel-Training
Finola Cronin:
Ich glaube, meine Erfahrung war auch, dass ich manchmal Solo-Coaching-Sitzungen mit Pina zu bestimmten Rollen oder bestimmten Szenen hatte, zum Beispiel in „1980“. Sie schickte alle nach Hause und ich musste noch dableiben und eine bestimmte Szene proben. (lacht) Ziemlich beängstigend, aber ich musste es tun. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie das oft gemacht hat – nicht nur bei mir, sondern ganz klar bei einigen der großen Werke wie in „Sacre“ für das „Opfer“ und so weiter... Wir kennen das von der Probe-DVD. Man hatte diese Einzelproben mit ihr, bei denen sie einen gecoacht hat. Aber meine Erfahrung in der Zusammenarbeit mit ihr war, als ich Meryls Rolle in „1980“ übernommen habe, und in dieser Rolle wird viel gesprochen. Meryl hatte es gemacht, dann hatte es Silvia Kesselheim gemacht und ich habe Silvia viel zugeschaut. Ich glaube nicht, dass ich Meryl jemals in dieser Rolle gesehen habe. Dann habe ich diese Rolle tatsächlich sehr lange gespielt. Ich habe sie fast durchgehend ... nun ja, vielleicht mindestens fünf, sechs Jahre lang, während ich hier war, vielleicht auch länger. Das ist natürlich auch das Außergewöhnliche an Pina: Sie sprach alles auf Englisch und sie hatte so ein gutes Gehör. Wir wissen, dass sie ein hervorragendes Auge für die Dinge hatte und sehr, sehr genau hingesehen hat, aber sie hatte auch ein hervorragendes Gehör für die Tonlage, für den Klang der Stimme, für die Tonhöhe, für Nuancen und so weiter. Das war sehr außergewöhnlich. Sie wollte also ganz klar, dass ich manchmal ein bisschen mehr wie Meryl klinge, und für mich wäre das sehr befremdlich, weil ich keine Australierin bin, und ich glaube, auch Meryl hat manchmal versucht, diese Art von australischem ... eine bestimmte Art von australischem Akzent – ich werde nicht sagen, was ich damit genau meine (humorvoller Tonfall), aber eine bestimmte Art von australischem Akzent – zu forcieren.
Das hat meiner Meinung nach manchmal nicht zu anderen Momenten in 1980 und zu einigen der Texte gepasst. Es gab einige Momente, in denen ich wirklich das Gefühl hatte, dass sie versuchte, mich in eine bestimmte Richtung zu drängen, und ich widerstand dem irgendwie. Und sie machte weiter und weiter und weiter. Es war wirklich ziemlich merkwürdig. Aber es ist auch ein Beweis dafür, dass sie es immer wieder überdacht hat, wieder überdacht hat, wieder überdacht hat. Jeder Besetzungswechsel – ich verstand, als ich noch hier arbeitete, und ich denke, die meisten von uns, die mit ihr arbeiteten, tun das auch –, jeder Besetzungswechsel hat eine Auswirkung auf absolut alles, was in dem Stück vor sich geht. Und ich hatte das Gefühl, dass sie die Balance der Charaktere, das Machtspiel, das auf der Bühne stattfindet, neu justieren würde. Das ist so wichtig: „Wo ist die Power? Wo ist die Aufmerksamkeit des Publikums?“ Und genau das hat sie bei allen Aufführungen getan, bei denen sie anwesend war und bei unserer langen Kritik, wissen Sie? Die Kritik dauerte zwei, drei Stunden und sie organisierte – würde ich rückblickend sagen – buchstäblich das Tempo des Stückes, sie organisierte das Tempo. Sie hat oft gesagt, wissen Sie ... Ich erinnere mich, dass sie einmal zu mir sagte am Anfang in 1980 – Im ersten Teil dieses langen Stücks gibt es eine Szene, in der Meryl über ... Sie hat alle Kisten, in Meryls Rolle, und sie fallen herunter und sie hat den roten Mantel an und sie kommt nach vorne und fängt an zu erzählen: "Ich nehme an, Sie fragen sich, woher ich meine Ohrringe habe.“ Es ist also eine Art großer Heiterkeitsmoment, leicht hysterisch, und ich erinnere mich, wie sie einmal zu mir kam und sagte: „Du hast das sehr gut gemacht, du hast das Stück vorangebracht. Es hatte sehr niedrig angefangen; es fing an, dann hast du es hochgezogen.“ Ich würde sagen, ich hatte keine Ahnung, dass ich das Stück nach vorangebracht habe. Das war nicht bewusst von mir. Aber was auch immer passierte, es war das Richtige, was sie in diesem Moment für das Stück brauchte. Und dann wurde mir klar, dass so viele der Cues in ihren Stück von Menschen stammen. Sie kommen nicht von der Musik. Es ist so, als ob man die Bühne betritt und die Musik beginnt. Oder du rufst nach der Musik und es passiert. Es gibt also so viele Momente in ihrer Arbeit, die wirklich vom inneren Tempo der Darsteller abhängen. Das hängt davon ab, wie man die Bühne verlässt, wie man die Bühne betritt, was vorher passiert ist und so weiter. Dann bekommt man eine Vorstellung davon, wie heikel das Ganze ist. Es ist wie ein Spinnennetz, einfach riesig vernetzt, und doch ist es sehr zerbrechlich, und es ist biegsam. Man kann es manipulieren, bewusst oder unbewusst. Wenn ich jetzt zurückblicke, sehe ich, dass ihre Rolle immer darin bestand zu versuchen, die Kohärenz und den Zusammenhalt des Stückes aufrechtzuerhalten, ihm auf bestimmte Weise einen Rahmen zu geben.
Kapitel 4.2
Die Darsteller:innen unterstützen
Ricardo Viviani:
Für einen Darsteller: Du stehst auf der Bühne, Pina schaut von außen zu – ich benutze meine Worte – und versucht, das Tempo zu optimieren. Wie wichtig ist es für einen Darsteller, diese Korrekturen zu hören, diesen Prozess der Korrekturen, dieses Feedback der Feinabstimmung zu hören? Hilft das deiner Meinung nach den Darstellern, sich besser auf das einzustellen, was auf der Bühne passiert, und das Tempo aufzunehmen ... Ihr steht in den Kulissen und wisst, dass ihr eine bestimmte Temperatur erreichen müsst – jetzt mein Begriff „Temperatur" –, ist es das, was passiert?
Finola Cronin:
Ich denke, das ist ein grundlegendes Problem im Theater, wenn ich mir das Theater in Irland oder in Großbritannien oder wo auch immer anschaue. Oft hat man das Gefühl, dass ein Schauspieler gerade erst zur Kompanie gestoßen ist, wenn er auf die Bühne kommt; sie sind irgendwie nicht am selben Ort, die, die auf der Bühne stehen. Das passiert im Theater ständig, im Theater, das oft brillant geschrieben, aber nicht gut ausgeführt ist. Ich glaube, bei Pina war es so, dass man alles mit sich trägt, wenn man auf die Bühne kommt. Ich habe im Moment keine genaue Erinnerung daran, dass sie das gesagt hat, aber ich glaube, sie hat das ziemlich oft gesagt: Wie man die Bühne betritt, ist von entscheidender Bedeutung. Und es gab auch eine ganze Menge Rituale hinter der Bühne; die Leute standen am gleichen Platz oder man hatte ein Gefühl dafür, wo die Leute waren. Aber wenn Sie sagen: „Wussten wir, was auf der Bühne passiert?“ Ich meine, um ehrlich zu sein, es waren so viele Leute da, sie hatte diese Fähigkeit, außerordentlich komplexe Szenen zu kreieren, einige der Szenen hießen sogar „Chaos-Szenen“ (lacht), es ist also eine absichtliche Komplexität in all dem enthalten, also bin ich mir nicht sicher, ob ich wirklich wusste – zum Beispiel bei Viktor in der „Chaos-Szene" – was die Leute taten, bis ich ein Video des Stückes gesehen habe, denn ich war immer dabei. Ich wusste, was ich tat, aber ich war im Hintergrund und machte irgendetwas Irrwitziges und Verrücktes und was genau woanders passierte, kann ich nicht sagen. Aber dann geht es darum, das, was man tut, wirklich zu verkörpern, und so viel wie möglich zu versuchen, jedes Mal dasselbe zu tun, genau zu sein. Das ist natürlich auch nicht immer möglich, weil man immer anders ist.
Ich sehe sie noch vor mir, wie sie hier im Schauspielhaus steht, das Stück durchgeht und sagt: „Und was kommt als Nächstes, und was kommt als Nächstes, ach ja, und als du das und das gemacht hast, hast du das und das gemacht". Und dann ging sie vielleicht hin und sprach mit zwei oder drei Leuten über eine bestimmte Szene, über das Timing, über was auch immer, wo sie sind – wenn man so will, das Bühnengeschehen, die praktischen Abläufe auf der Bühne, würde ich sagen, waren die Hauptpunkte der Kritik. Nicht immer, aber meistens.
Natürlich, wenn es Das Frühlingsopfer oder Orpheus und Eurydike oder Iphigenie auf Tauris“ oder so etwas war, dann war es vielleicht erforderlich, einen Ensemble-Moment zu machen, einen Ensemble-Moment zu tanzen, weil wir nicht mehr im Takt waren. Das ist eine ganz andere Sache. Denn die Musik ist dazu da, den Rahmen und das Tempo vorzugeben. Die Auf- und Abgänge, die sie so großartig choreografiert hat, sind sehr zerbrechlich. Sie sind sehr anfällig für Verzögerungen, dann zieht sich alles in die Länge und manchmal haben wir das selbst gespürt, glaube ich, wenn die Dinge zu langsam waren. Das haben wir auf jeden Fall.
Und es wurde viel beobachtet. Wir haben uns gegenseitig auf der Bühne beobachtet. Wir haben uns sehr oft gegenseitig beobachtet. Ich erinnere mich daran, dass ich mich manchmal sehr unterstützt gefühlt habe, weil die Leute da waren und beobachtet haben. Und Dominique hat dann vielleicht so etwas gesagt wie: „Ach, weißt du, was ist mit diesem und jenem?“ und hat vielleicht mit Pina gesprochen. Ich erinnere mich an diese Art von kleinen Hinweisen von einigen der erfahreneren, etablierten Kollegen, die wirklich hilfreich waren, denn es gibt so viel, denn diese Rollen – und eigentlich die ganze Arbeit an diesen Stücken, an denen ich am meisten beteiligt war –, sind sehr kompliziert. Sie sind kompliziert; sie sind sehr sensibel.
5. Die Klage der Kaiserin
Kapitel 5.1
Klage-Szenen
Ricardo Viviani:
Wenn wir über so etwas wie Klage der Kaiserin, den Film, sprechen, wie ist dann die Beziehung? Wie war Klage der Kaiserin als ein Stück, das von Pina vor der Kamera mit dem Material gebildet wurde, wie war diese Erfahrung?
Finola Cronin:
Es war lang. Es war sehr lang. Rückblickend würde ich sagen, dass es in gewisser Weise aufregend war, nicht in der Lichtburg zu sein und nicht nur auf der Bühne zu stehen, sondern draußen in der Natur zu sein, vor Ort zu sein, am Drehort zu sein; all das war aufregend. Es wurde viel rumgehangen. Und dann erinnere ich mich natürlich daran, dass Pina diese Stunden an Material hatte und sie es dann anschließend editierte. Als wir uns den Film ansahen – ich erinnere mich an die Premiere, die in Barmen stattfand, oder vielleicht war sie auch nicht in Barmen, ich bin mir nicht sicher –, hatten wir das Gefühl, wirklich nicht zu wissen, was uns erwarten würde. Wir wussten nicht, was ausgewählt und was verworfen worden war. Das war ziemlich merkwürdig. Ich nehme an, der langsame Probenprozess für die Bühne hat den Vorteil, dass man das Material und die Reihenfolge so gut kennenlernt, dass selbst dann, wenn, wie Pina es oft tat, sie Dinge erst sehr spät im Prozess oder sogar nach der Premiere änderte, es immer noch einen Anker aus viel Material gab, das zusammenhing und Sinn ergab. Für mich persönlich wusste ich, dass ich mit Änderungen umgehen konnte, es war keine große Sache. Bei der „Klage“ kann ich wirklich nicht sagen, dass ich mich an die Reihenfolge erinnere. Ich kann auch jetzt nicht sagen, dass ich das Stück wirklich sehr gut kenne. Ich kenne viele Szenen. Ich habe es natürlich viele Male gesehen. Sehr unterschiedlich.
Kapitel 5.2
Neue Kontexte für Szenen
Ricardo Viviani:
Haben die Szenen, die in Klage der Kaiserin gefilmt wurden – wir wissen, was im Film zu sehen ist – mit anderen Stücken, mit Material aus anderen Stücken ihres Repertoires resoniert? Gab es einen Zusammenhang zwischen den Szenen, die für die Kamera gemacht wurden, und Material aus den Stücken?
Finola Cronin:
Einige Szenen stammen eindeutig aus anderen Stücken und ich nehme an, eines der interessanten Dinge war, dass es auch Material gab, das gemacht worden ist, von dem wir aber keine Ahnung hatten, dass es gemacht worden ist. Weil wir wussten, dass sie mit zwei Leuten arbeitete, aber wir wussten nicht, was dabei herausgekommen ist. Und sie sagten: "Wir haben dies und das gemacht", aber wir hatten keine Ahnung – das beantwortet Ihre Frage nicht ganz. Gibt es eine Korrelation? Direkt, ein bisschen vielleicht; der Hase, das ist eine Figur, die in 1980 auftaucht. Es gibt diese Momente, aber darüber hinaus, in inhaltlicher Hinsicht denke ich, – andere wissen das vielleicht besser – hat sie die Möglichkeit begeistert, in der Natur zu sein, würde ich sagen, das Rausgehen. Aber ich glaube, es war gleichzeitig eine wirklich große Aufgabe.
Kapitel 5.3
Übergangsperiode
Ricardo Viviani:
Wie siehst du diese Zeit in den frühen neunziger Jahren, in der wir das „Madrid-Stück“, Tanzabend II, „Schiff“ und „Trauerspiel“ haben, welches Stücke sind, die während einer sehr kurzen Zeit aufgeführt wurden?
Finola Cronin:
Ich nehme an, es ist ein bisschen schwierig für mich, weil ich „Trauerspiel“ nicht gemacht habe. Und Wiesenland, oder?
Oh „Schiff“, ja. Ich habe „Schiff“ nicht gemacht und „Trauerspiel“ nicht gemacht, also habe ich keines dieser Stücke gemacht, aber ich war immer noch in der Kompanie. Ich nahm ... „Stück mit dem Schiff“ kam zuerst, oder?
Ich blieb aus „Schiff“ raus, weil ich das Gefühl hatte, dass ich eine Pause brauchte, und für das nächste Stück hatte ich bereits meine Kündigung eingereicht, so dass es keinen Sinn mehr hatte zu bleiben. Das war's. Ich kenne mich also mit diesen Stücken nicht so gut aus, aber ich glaube, bei Tanzabend II war vielleicht der Sinn ... Ich bin mir nicht sicher, ob ich glücklich war, dass sie damit zufrieden war. Das war mein eigenes Gefühl. Es hätte vielleicht etwas mehr gebraucht oder ... ich bin nicht sicher. Es schien nicht ganz zusammenzupassen. Es war in gewisser Weise ein sehr interessantes Stück, aber ich bin mir nicht sicher, ob es so zusammenging, wie sie es vielleicht wollte. Vielleicht ist es nicht richtig, dass ich das sage, weil ich die Tatsache einbeziehe, dass es nicht sehr oft gespielt wurde (lacht), aus welchem Grund auch immer. Ich weiß es nicht.
Wenn ich mir ihre spätere Arbeit ansehe – und ich habe nicht alle Arbeiten gesehen, weil ich einige Jahre lang ihre Produktionen nicht gesehen habe – aber ausgehend von einigen der späteren Arbeiten, die ich gesehen habe, war es offensichtlich eine Art Übergangszeit, eine Art Abkehr von der eher theatralen Szene hin zu einem Ort, an dem es ein anderes Gleichgewicht zwischen Bewegung und Tanz und den Szenen, den eher theatralen Teilen, gibt. Es ist definitiv eine Abkehr von der Idee des Tanzes als Geste, Repräsentation von Geschlecht oder als Bedeutung hin zum Tanz als Bewegung, wobei einige der Tanzarbeiten so komplex und so dicht werden, dass es ein großartiges Gefühl von Energie gibt und eine Menge emotionaler und psychologischer Informationen; alles, was man braucht, an Eigenschaften oder um den Weg zu bahnen, wodurch Tanz auf seine eigene Art Bedeutungen herstellt, mit seinem eigenen Vokabular und seiner eigenen Sprache. Das war etwas, was sie in einigen ihrer späteren Werke wirklich außerordentlich gut hinbekommen hat. Und das muss auch gesagt werden, weil sie großartige Tänzerinnen und Tänzer zur Verfügung hatte, die wirklich – unabhängig von ihrer Ausbildung und ihrem Hintergrund – diese phänomenale Energie hatten, um diese Arbeiten und diese Stücke zu realisieren.
Kapitel 5.4
Wiederaufnahme der Tanz-Opern
Ricardo Viviani:
Zu dieser Zeit brachte sie die Opern zurück: „Iphigenie“, „Orpheus“ ... erinnerst du dich daran, „Iphigenie“ zu machen, und wie es war, es zu dieser Zeit wieder zu machen – nicht für dich, sondern für die Arbeit, wenn das wieder gezeigt wurde?
Finola Cronin:
Es war etwas sehr Unterschiedliches. Es war wahrscheinlich ein wenig unerwartet, denke ich, insofern, als dass ich mich erinnere, dass Jo Ann Endicott sagte: „Oh, ich mag diese Arbeit wirklich. Es ist so sanft.“ Allein die Anmut – Hans Züllig hätte gesagt die Eleganz –, die Eleganz der Bewegung, die sie erreicht hat, hat etwas erstaunlich Schönes, Ergreifendes und Herrliches an sich. Eigentlich hatte ich mich gar nicht so sehr darauf gefreut, diese Opern zu machen, aber ich habe sie absolut geliebt, besonders „Iphigenie“. Es war einfach das delikateste aller Stücke, einfach wunderschön: fein und wirklich großartig. Es war also wirklich aufregend, sie zu machen. Und vor allem, weil sie – und das ist interessant – nicht ballettmäßig waren. Ich würde zwar sagen, dass damals einige Balletttänzer bei uns waren, aber man merkte, dass sie nicht ballettmäßig waren, es war nicht diese Art von Eleganz. Es war immer noch diese Art von Kantigkeit, die Bausch verwendet hat, und die Hüften sprangen heraus und es war immer noch sehr modern, aber es war sehr weich. Es war ziemlich aufregend, das zu machen.
6. Nach dem Tanztheater
Kapitel 6.1
Persönliches Erbe
Ricardo Viviani:
Wie hat die Arbeit mit Pina deine weitere Entwicklung beeinflusst?
Finola Cronin:
Bevor ich abreiste, verbrachte ich einige Zeit in London, möglicherweise während einer der Zeiten, in denen ich hier nicht arbeitete, und ich dachte darüber nach, mich vielleicht einer Schauspielgruppe anzuschließen. Und ich habe mir das Theatre de Complicité angesehen, Simon McBurney, den du vielleicht kennst, in London ansässig, sehr interessante Arbeit. Ich erinnere mich, dass ich zu seiner Truppe ging, so wie man das damals machen konnte, vielleicht Anfang der 90er Jahre, und ich sagte: „Ich würde gerne einige Ihrer Arbeiten sehen.“ Und er sagte: „Klar. Hier sind ein paar Videos." (lacht) Und ich ging zurück in meine Wohnung, sah mir die Videos an und dachte: „Nein, das ist nichts für mich." (lacht) Weil es so textbasiert war und dies eine Kompanie war ... Sie sind ein großartiges Ensemble, aber sie arbeiten viel mit physischem Theater, doch sie arbeiten vom Text aus und gehen dann in die Körperlichkeit über. Also dachte ich: „Nein, nein, eigentlich will ich nicht mit einem anderen Ensemble arbeiten.“ Als ich also darüber nachdachte, Pina wirklich zu verlassen, '93, '94 – nun, ich verließ Pina '94 –, dachte ich: „Ich will wirklich nicht mit jemand anderem arbeiten, warum sollte ich das wollen?“ Es gab wirklich niemanden, der besser war – das wissen wir ja. In vielerlei Hinsicht würde ich sagen, dass ich immer dachte: „Wenn Pina woanders arbeiten würde ...“ Ich glaube, ich hatte Deutschland ein bisschen über, mehr als ... Ich war Pina sicher nicht überdrüssig, aber ich war Deutschland ein wenig überdrüssig, um ehrlich zu sein. Ich wollte eine andere Art von Erfahrung machen und ich vermisste meine Heimat. Ich hatte Heimweh. Ich wollte in mein eigenes Land zurückkehren. Und das war eine Sache, die ich im Gespräch mit Kollegen entdeckte. Ich erinnere mich, dass ich einmal in der Kneipe saß, und es stellte sich heraus, dass wir sechs, die wir am Tisch saßen, alle Heimweh hatten, wie wir zugaben. Leute, die lange Zeit weg waren, hatten also immer noch eine gewisse Sehnsucht nach der Heimat, was interessant ist.
Ich entschied, dass ich, wenn ich nach Irland zurückkehrte, was ich wirklich wollte – ich war 17 Jahre lang weg gewesen –, einen anderen Weg brauchte, um anzuknüpfen und Menschen zu treffen. Jemand schlug mir vor, wieder zu studieren, und ich dachte: „Toll, warum nicht.“ Dann habe ich angefangen, auf postgradualer Ebene Theaterwissenschaft zu studieren, und das hat mir auch gefallen. Tanz wollte ich nicht studieren. In Irland gibt es keine Möglichkeit, Tanz an einer Universität zu studieren – damals noch nicht –, aber ich wollte nicht nach London oder an eine Universität im Vereinigten Königreich gehen, um dort Tanz als theoretisches Fach zu lernen. Ich bin immer noch sehr dankbar, dass ich das nicht getan habe und Theater studiert habe, denn es gibt tatsächlich viele Zusammenhänge, und es ist eine interessante Art und Weise, sich Pinas Werk zu nähern, und zwar eher über das Theater als über den Tanz.
Kapitel 6.2
Kein Tanz mehr?
Ricardo Viviani:
Hast du also aufgehört zu tanzen?
Finola Cronin:
Nein, ich war bis 2001 – gelegentlich – weiterhin als Gast bei Pina. Seitdem habe ich in Irland einige eigene Arbeiten gemacht in den frühen 2000er Jahren. Welche Arbeiten? Ich habe einen Work-in-Progress gemacht, den ich gezeigt habe. Dann habe ich ein Stück namens The Murder Ballads gemacht, mit viel Live-Musik, wieder von Nick Cave und so weiter. Diese Art von mörderischen Ideen. (lacht) Dann fing ich an für das Arts Council of Ireland zu arbeiten, so dass ich kein Geld mehr beantragen konnte, da ich für die Organisation arbeitete, die Geld für die Künste zur Verfügung stellt, und dieser Umstand machte mich zu einer Art Verwalterin und Spezialistin für Tanz. Dann habe ich angefangen, mehr an der Universität zu arbeiten und meine Doktorarbeit zu machen, so dass mir eigentlich die Zeit ausgegangen ist. Später bat mich Raimund Hoghe, ein Stück mit ihm zu machen in 2012, und so habe ich einige Jahre mit ihm gearbeitet. Er hat ein Stück namens Cantatas gemacht, das wir hauptsächlich in Frankreich und auch in Düsseldorf aufgeführt haben. Zurzeit arbeite ich mit einer irischen Choreografin, einer Frau namens Liz Roche. Wir machen ein Stück, das mit Goethe und W. B. Yeats und so weiter zu tun hat, und das geht im September weiter. Also, ich versuche verzweifelt, meinen Körper zu finden. (lacht)
Kapitel 6.3
Als Gast im Tanztheater
Ricardo Viviani:
Welche Stücke hast du hier in der Kompanie als Gast gemacht? [Ismaël Dia:] Wie war es als Gast zurückzukehren?
Finola Cronin:
Ich kam für Viktor und für „1980“ zurück und für Bandoneon.
Wie war es, als Gast zurückzukommen? Ich kam das erste Mal für Bandoneon zurück, das war für die Argentinien-Tournee. Aber ich war kaum weg gewesen. Es fühlte sich so an, als wäre ich immer noch ein Teil der Kompanie. Dann kam ich für Viktor zurück und ich war schwanger und das war irgendwie lustig, weil ich nicht meine ganze Rolle machen konnte. Das war wirklich lustig. Alle meine Kleider mussten irgendwie geändert werden. Dann kam ich für „1980“ zurück und das war nicht das Beste für mich. Es war nicht die beste Erfahrung, denn ich kam zu den Proben, wahrscheinlich im Juni etwa, und dann kam ich zur Vorstellung. Und ich fühlte mich irgendwie ein bisschen „nicht ganz hier“. Ich dachte, ich bräuchte mehr Auftritte; wir hatten nur zwei Vorstellungen und ich dachte ... Ich meine, Pina hätte gesagt, dass es besser gewesen wäre, wenn ich vier Vorstellungen gehabt hätte, um wieder richtig reinzukommen. So hatte ich das Gefühl, dass ich nicht ganz bei der Sache war – um es mal so auszudrücken – es war eine kleine Herausforderung.
7. Palermo Palermo
Kapitel 7.1
Schwieriger Entstehungsprozess
Ricardo Viviani:
Aber in der Chronologie haben wir noch Dinge wie Palermo Palermo; über „Madrid“ [Tanzabend II]haben wir gesprochen.
Finola Cronin:
„Palermo“ war wahrscheinlich nicht ... Ich weiß nicht, ob mir jemand von meinen Kollegen zustimmen würde, aber es war ein ziemlich herausforderndes Stück. Wir haben es begonnen, dann haben wir es liegen lassen und sind auf Tournee gegangen und Pina hat„Klage“beendet, den Schnitt fertiggestellt. Es war also ein ziemlich langwieriger Probenprozess. Ich hatte das Gefühl, dass diese Pausen eine Herausforderung waren, um das Stück zusammenzubringen. Ich persönlich war ... vielleicht war ich zu der Zeit nicht gut drauf, ich weiß es nicht, aber ich hatte irgendwie nicht viel Vertrauen in die Arbeit und in das, was ich tat, außerdem war viel von meinem Material herausgeschnitten worden. Ich war also ein bisschen (macht Andeutungen, dass sie mürrisch war). Aber dann gab es natürlich diesen außergewöhnlichen Moment mit der Mauer, mit der Mauer, und wir waren gerade in Ostdeutschland und in Leipzig gewesen, wo die ganzen Montagsdemonstrationen stattgefunden hatten, wir waren also mitten in der Geschichte hier in Deutschland und das Stück hatte dann natürlich diese außergewöhnliche Kraft und Energie. Es ist ein großartiges Stück, was die Energie angeht und die Art und Weise, wie mit der Mauer als Hindernis umgegangen wird, als sie dann tatsächlich fällt. Es gibt also die praktische Seite als Tänzerin, aber dann gibt es natürlich auch die Symbolik von all dem für den Zuschauer [Publikum]. Es ist ein außergewöhnliches Werk – und das haben wir gespürt. Das haben wir absolut gespürt. Das Gefühl für ... die ökologische Botschaft auch, mit dem Müll, mit dem Schmutz, mit dem Staub, dieses Gefühl für Verfall, für kompostierbaren Müll und so weiter, und das Verhalten des Menschen in der Natur und so weiter, und die deutsche Sache und die Mauer. Es hatte einfach ... Sie hat eine außergewöhnliche Menge an Bedenken der Menschheit am Ende des Jahrhunderts zusammengetragen. Das ist wirklich phänomenal. Und ich denke, das wurde deutlich, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir – ich sage „wir"; ich denke, ich und enge Kollegen von mir, wir waren nicht – ich war mir auf jeden Fall nicht sicher, als es gemacht wurde, und fühlte mich nicht besonders glücklich dabei, aber das hat mich nicht davon abgehalten, es als ein außergewöhnliches Werk zu betrachten. Außergewöhnlich.
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