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Ich weiß eigentlich überhaupt nicht, wie man Vorträge hält. Das habe ich nicht gelernt, und es ist auch nicht wirklich ein Teil meiner Arbeit. Ich mache Sachen, die zum Angucken sind und nicht, um darüber zu reden. Vorträge entstehen bei mir meistens nur aus dem Stegreif, und dann sind sie gefürchtet, weil der Zuhörer meistens verwirrter zurück bleibt, als ich ihn getroffen habe.

Zudem habe ich mich gefragt, warum Sie ausgerechnet mich eingeladen haben. Vermutlich weil ich vom Theater komme und gerade nicht Architekt bin. Das wird auch ein Thema sein, über das wir uns unterhalten werden. Über die Parallelen, von denen es ja viele gibt. In mancher Hinsicht sind wir Kollegen, aber dann geht es auch wieder weit auseinander, dann wird es plötzlich anders.

Aber das eigentliche Thema sind die Atmosphären. Und das ist die zweite Schwierigkeit. Darüber habe ich überhaupt noch nie nachgedacht. Ich mache, ich erzeuge sie einfach. Manchmal gelingt es mir ganz gut, manchmal auch nicht so gut. Aber wirklich darüber nachgedacht habe ich nicht. Vor drei Tagen hatte ich meine letzte Premiere, daher war eine große theoretische Vorbereitung nicht drin. Aber als ich mich gestern und vorgestern mit meiner Frau drüber unterhalten habe, habe ich gemerkt, dass es anfängt mich zu interessieren. Da ich aber kein Experte bin, müssen wir versuchen, das irgendwie zusammen rauszubekommen. Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten. Das finde ich eigentlich viel schöner als einen Vortrag, der wahrscheinlich an der Sache vorbeigeht.

Vielleicht wird uns das ein wenig auf Abwege führen, vielleicht ist das sogar noch spannender als die Frage der Atmosphäre. Eben ein bisschen rum zu gründeln in diesem Nebeneinander von Architektur und Bühnenkunst. Und was das miteinander zu tun hat, wo es sich reibt oder wo es völlig auseinander geht. Es werden sich ein paar Aspekte ergeben, die Sie vielleicht interessieren mögen. Ich habe gedacht, ich bringe jetzt einfach ein paar Bilder mit. Ich beschränke mich auf die, immerhin schon, 30 Jahre Zusammenarbeit mit einer Theatertruppe, die hier ganz in der Nähe ist. Das ist das Tanztheater Wuppertal von Pina Bausch. Das ist so etwas wie eine Familie, die ich habe und mit der ich arbeite. Für die mache ich die Bühnenbilder schon seit sehr langer Zeit. Das ist eine sehr enge Zusammenarbeit. Mir schien es am besten, dabei zu bleiben, denn wenn ich das andere Fass von Filmen, Oper oder Schauspiel aufmachen würde, wird es zu umfangreich.

Ich würde vorschlagen, dass wir erst mal einige Videos und Bühnenmitschnitte angucken. Dann haben Sie einen Eindruck von dem, was ich so treibe. Ich habe schon geguckt, dass es auch ein bisschen mit Atmosphäre zu tun hat. Vielleicht ergibt sich da ja irgendetwas, worüber wir uns unterhalten können.

Zum Einstieg habe ich etwas mitgebracht, von dem ich dachte, das ist für Euch Architekten vielleicht ein totaler joke. Normalerweise ist man als Architekt ja froh, wenn man eine Mauer baut und die dann stehen bleibt. Hier ist es anders. Es ist das einzige Stück, das wir in 30 Jahren gemacht haben, bei dem wir mit einem geschlossenen Bühnenvorhang beginnen. Hier ist die Bühne zugemauert. Da ist eine Mauer, hatte ich mir in den Kopf gesetzt. Um nun endgültig den Vorhang aufzumachen, muss man die Mauer einfach umschmeißen können. Machen Sie ja sonst als Architekten nicht so.

Lassen Sie mich zunächst etwas über das Tanztheater Wuppertal sagen. Diese Tänzer sind eine Bande von handverlesenen, auf der ganzen Welt zusammengesuchten 30 Tänzern, die ungeheuer tapfer sind. Das heißt, ich kann denen so was eigentlich kaum zumuten. Normalerweise sollte jede Ballett- oder Tanzkompanie mir nasse Lappen um die Ohren hauen. Bei denen jedoch geht das. Also das hat einfach so ausgesehen: Ich habe lange probiert, wie man das machen kann, habe Material besorgt, Steine unterschiedlicher Art, schwere Formen und Stabilität. Dann habe ich - soweit ich das selber konnte - Mauern aufgebaut auf der Hinterbühne drei Meter hoch - so hoch ich mit der Leiter kam. Dann habe ich den Kopf eingezogen und hab’s immer umgeschubst, um zu gucken, was dann passiert, hoffend, dass mir kein Stein auf den Kopf fällt. Dann habe ich so langsam rausbekommen, was daran zu beachten ist, wenn man es mehr als ein Mal machen will. Das ist ja ein bisschen die Gefahr daran. Das ist auch gefährlich. Ab dem Moment, wo diese Mauer höher als einen Meter wird, ist die Bühne absolutes Sperrgebiet. Wenn die aus Versehen mal umkippt, ist das natürlich eine lebensgefährliche Geschichte.

Es ist auch schwierig gewesen, weil die natürlich keiner wollte. Die haben alle gesagt, das ist vollkommen unmöglich, kommt überhaupt nicht in Frage. Es gibt dann immer so kleine Rituale, wenn in dieser Institution Theater irgendwer was nicht will oder sich was nicht traut. Dann haben sie so ihre Spielchen, um es zu verhindern. Also in dem Fall haben sie mir das Hochbauamt und die Landesversicherungsanstalt für Sicherheit und Arbeit auf den Hals gehetzt, um die Mauer zu verhindern. Aber wenn man energisch genug ist, dann hält man einfach länger durch. Dann wird die Mauer gebaut.
Die Mauer bestand aus Hohlblocksteinen, die ich von einer hiesigen Firma bekommen habe. Sie haben die mir mit einer stärkeren Zementbeimischung gemacht, damit sie härter werden und den Aufprall besser vertragen. Die Steine selbst sollten ja nicht zu Bruch gehen.
Vieles liegt einfach rum, auch die Steine der eingestürzten Mauer liegen dann einfach auf der Bühne rum. Die Bühnentechniker machen da nicht viel dran, die räumen dann lediglich Ausgänge frei oder so was. Aber ansonsten liegt das rum, und am Ende der Vorstellung wird der noch brauchbare Rest eingesammelt. Wir haben etwa 25 % Bruchquote, der Rest wird mit neuen Steinen vermischt und am nächsten Tag wieder aufgebaut.
Das Problem einer solchen Bühnenmauer ist, dass die Kompanie sehr viel auf Gastspielreisen ist. Zwei Drittel ihrer Vorstellungen spielen die irgendwo auf der ganzen Welt. Dann wird so eine Mauer zum Problem. Es ist ein Bühnenbild, dessen Material sich mit jeder Vorstellung verschleißt. Allerdings ist das Material nicht überall zu bekommen. Das bedeutet: wir reisen einfach mit zig Tonen Steinen umher. Das geht nicht anders. Wir haben das in Israel gespielt, in New York, in Tokio und sonst wo. Und sind immer schön mit unserem Koffer Steine durch die Gegend gefahren.

Publikum: Sie haben eingangs gesagt, dass Sie sich mit dem Thema Atmosphären noch nicht beschäftigt haben. Das hat mich überrascht, weil ich dachte, dass man sich als Bühnenbildner eigentlich ständig mit Atmosphären beschäftigen muss.

Peter Pabst: Natürlich, mache ich auch. Ich mache es ja auch mit mehr oder weniger Erfolg. Es sind nur zwei verschiedene Dinge, etwas zu machen oder sich damit zu beschäftigen bzw. es theoretisch zu durchdringen. Na klar mache ich Atmosphären. Als ich über Ihre Vortragsanfrage nachgedacht habe, kam mir in den Sinn: na ja, eigentlich haben sie Recht. Denn im Gegensatz zur Architektur ist ja im Grunde genommen alles, was ich als Bühnenbildner mache, fake. Es stimmt ja alles nicht, in architektonischer Hinsicht. Aber es stimmt für mich.
Manchmal habe ich durchaus meine Schwierigkeiten damit. Weil es dadurch schon sehr konkret wird, sofern es sich um architektonische Geschichten handelt. Man zeigt eine Wand aus Latten und Stoffbespannung oder Farben oder so was. Aber es ist eben doch fake die ganze Geschichte. Und natürlich heißt das in der Konsequenz auch, dass es umso mehr um Atmosphäre geht.

Publikum: Wie entwickeln Sie denn Atmosphären? Sie bekommen ja wahrscheinlich eine Idee von der Geschichte oder eine Vorgabe. Aber wie kommt es dann zum Bühnenbild?

Peter Pabst: Also es gibt einen Prozess. Eigentlich ist das wie bei Ihnen in der Architektur. Es fängt damit an, dass man einen Auftrag bekommt und mit dem Auftraggeber reden muss. Das ist bei Ihnen in der Architektur ein Bauherr, bei mir ist das in der Regel ein Regisseur. Mit dem muss man reden. Dann macht man eine kleine Skizze zu den Gedanken, die man da hat, dann macht man einen Entwurf, dann baut man ein Modell. Das ist alles noch vollkommen parallel zur Architektur. 
Dann muss es konstruiert werden. Ich schlag mich mit ähnlichen statischen Fragen und Problemen rum wie Sie. Das ist nun an sich kein großes Problem.

Wände in Bewegung zu setzen, die 6 m hoch und vielleicht 8 oder 10 m lang, ist nicht besonders schwierig. Aber die haben alle offene Türen. Das heißt, da findet erst mal eine enorme Kraft statt. In dem Moment, wo die Sachen in Bewegung geraten, bekommen sie beim kleinsten Widerstand, bei der kleinsten Unebenheit auf dem Boden gewaltige Torsionskräfte hinein.
Und dann noch die leidige Sache der Vorschriften, mit denen man eigentlich bei jeder Sache zu tun hat. Mit der Riesenwand beispielsweise. Der Moos- und Pflanzenwand, aus der das Wasser rauskommt, dieses akustische Bild. Diese Wand legt sich ja irgendwann um (irgendwie scheine ich alle Dinge umzuschmeißen). Dafür muß sie erstmal hochgezogen werden. Sie wiegt aber ca. 6 t. Das war auch wieder ein Riesenproblem in der Stadt. Die sind zu mir gekommen und wollten eine statische Berechnung des Theaterbaus von mir haben. Ich habe mich schlapp gelacht, habe gesagt, ihr betreibt das doch, ihr müsst doch wissen, was euer Theater statisch aushält. Aber ich hab’s machen müssen. Ich musste die Berechnung machen, weil ich es sonst nicht durchbekommen hätte.

Publikum: Eine Frage zum Räumlichen. Licht und Schatten verstärken auf der Bühne ja auch das Räumliche. Mitunter versuchen diese Bilder auch die Endlosigkeit, das weniger Räumliche darzustellen. Sind Sie mehr ein räumlicher Arbeiter, was ja auch in der Regel der Architekt sein sollte?

Peter Pabst: Ich bin wahrscheinlich ein räumlicher Arbeiter, was ich erst mal daraus herleite, dass ich kein Maler bin. Ich kann nicht besonders gut malen. Ich kann halbwegs gut zeichnen, aber ein Maler bin ich nicht. Das ist aber fast eine Tradition in der deutschen Bühnenbildnerei. Ich kenne lediglich zwei Kollegen, die malen können. Die Italiener hingegen können das. Deswegen prägen die Italiener auch die gesamte Theatermalerei. Diese großen gemalten Prospekte und so weiter, das wird inzwischen vor allem von Italienern gemacht. Die Italiener bauen selten Modelle, die malen Entwürfe, richtige wunderbare Bilder.
 Ich hingegen bin kein Maler, insofern glaube ich schon, dass ich eher räumlich denke. Ich arbeite im Modell. Die Modelle sind auch meistens so genau und gut, dass trotz aller Komplikationen die Dinge aufgehen. Gerade so Bewegungsgeschichten. Die Bewegung ist übrigens einer der Unterschiede zwischen mir und euch Architekten. Ich kann Dinge bewegen. Ich kann es auch auf den Kopf stellen, wenn ich will. Das geht in der Architektur weniger. Das probiere ich komplett im Modell aus. Zum Beispiel diese grüne Wand, die sich umlegt. Das Ding ist 13 m breit und 10 m hoch, und es wiegt auch knappe 6 Tonnen. Das ist nicht einfach zu handhaben.

Publikum: Woraus besteht denn diese Wand, wie ist die aufgebaut?

Peter Pabst: Na ja, ich bin so ein Traditioneller eigentlich. Ich hänge an Traditionen und benutze schrecklich gerne so traditionelle Techniken. Deshalb mache ich so etwas aus Styropor. Das ist reine Bildhauerarbeit. Das, was sie in der Architektur zur Isolation benutzen, ist bei uns ein Gestaltungsmaterial, weil es sich halt leicht und schnell schneiden lässt. Ich habe ja keine Zeit. Die Arbeitsabläufe bei uns sind natürlich sehr, sehr viel kürzer als bei Ihnen. Für die Bühnenbilder, die ich Ihnen gezeigt habe, habe ich normalerweise vier bis fünf Wochen Zeit. Dann ist Premiere. In dieser Zeit muss ich rausbekommen, wie es geht.
Wegen des Zeitdrucks nehmen wir Materialien, die sich möglichst schnell bearbeiten lassen. Das wird dann an der Oberfläche gehärtet und versiegelt, damit es nicht dauern kaputt geht und damit diese Styroporbrösel nicht ständig irgendwo herumliegen. Außerdem wird das Zeug dann bepflanzbar. Auf der einen Wand sind etwa 300.000 Pflanzen drauf. Das klingt fürchterlich nach Sisyphusarbeit, aber es sind auch ganz wunderbare Bilder. 
Über die Atmosphäre bei der Arbeit würde ich eigentlich viel lieber reden. Die erfreut mich manchmal mehr als die von einem fertigen Bühnenbild. Wenn Sie das gesehen hätten: Es war voll, voll von diesen Skulpturen, und da waren lauter junge Leute. Ich habe da einen Stab entzückender junger Studenten. Die kommen immer, weil sie wissen, dass die Werkstätten das gar nicht schaffen. Und auch die Feuerwehrleute kamen auf ihrer abendlichen Runde durch die Oper immer bei uns vorbei, blieben eine Weile fragten oder schauten zu, wie das das Monstrum wuchs. So haben die auch angefangen, das irgendwie zu lieben.

Publikum: Sie haben von Studenten gesprochen, aber haben Sie auch Fachplaner? Eine Bühne unter Wasser zu setzen, die Frage zu klären, ob die Räume darunter beschädigt werden oder die statischen Probleme – braucht man dafür nicht spezielle Kompetenzen?

Peter Pabst: Nein, das habe ich nicht. Ich habe es deshalb nicht, weil das so kurzfristig ist und unter so einem Zeitdruck abläuft, dass man keinen normalen Menschen da zur Mitarbeit bewegen kann. Die bekommen auch Angst. Bei der grünen Wand, die sich umlegt, habe ich mir schon einen Statiker geholt. Aber das ist eher die Ausnahme. Aber wir sind jetzt sehr im Technischen.
 Es geht Ihnen doch um das Atmosphärische. Denken Sie noch mal an die Wand. Wenn auf der Bühne das Licht angeht, verschlägt es einem wirklich die Sprache. Das meine ich nicht eitel, sondern das ist wirklich so, weil es so unglaublich schön ist das Ding. Wie es aus dem Dunkel plötzlich auftaucht. Die riesige grüne Felswand, mit Tropfen wie Ketten von Diamanten, die da glitzernd runterfallen. Das ist pure Ästhetik. Es scheint auch für nichts anderes gut zu sein, als schön zu sein. Es steht da, man kann nichts damit anfangen. Es ist reine Ästhetik, fast schon unnahbar. Und mit einem Mal verwandelt sich das Ding, setzt sich in Bewegung. Dann wird sie zu einem Monster. Dann fängt sie plötzlich an sich zu bewegen. Schiebt sich mit dieser unendlichen Langsamkeit auf Sie selber zu und scheint nicht aufzuhören und kommt immer weiter auf Sie zu gekrochen und hört nicht mehr auf und wird immer finsterer, da ist eine Atmosphäre, das ist ungeheuer. Das ist wirklich stark und krass. Das, was da vorher eine eitle Schönheit war.

Publikum: Wie ist denn der Ablauf vorher. Kommt der Regisseur zu Ihnen und sagt, ich stelle mir das so und so vor, machen sie das mal oder schlagen Sie ihm Konzepte oder Ideen vor?

Peter Pabst: Da gibt es Gewohnheiten. Ich weiß, dass bei vielen Kollegen der Regisseur sagt, ich will das so und so, bitte machen Sie das. Das ist bei mir nicht so. Aber im Prinzip ist das so wie mit Bauherr und Architekt. Natürlich glaubt man, dass man es selbst am besten kann. Von meinem Bühnenbild-Professor habe ich gelernt, dass alle Regisseure Dummbeutel seien und dass das ganze Leben ein einziger Kampf gegen Regisseure sei. Ich habe mein Leben so nicht gelebt, ich habe eigentlich mit denen nie gekämpft, weil ich dachte, dass es anders gehen muss. Manchmal haben die einen gute Ideen, manchmal die anderen. Dann wäre man blöd, wenn man die nicht aufgreifen würde. Also ich mache normalerweise schon meine Vorschläge, aber ich bin weiß Gott nicht so blöd, dass ich nicht nutzen würde, wenn irgend jemand etwas Tolles sagt. Bei dieser Wand habe ich gedacht, ich könnte mir einen Techniker, einen Ingenieur dazuholen, der mir die statischen Fragen abnimmt. Am ersten Tag habe ich ihm erklärt, was das Problem ist, was ich machen will. Am zweiten Tag ist er noch mal ins Büro gekommen, am dritten Tag war er verschwunden. Wir haben ihn verzweifelt gesucht, haben nicht verstanden, was los war. Ich fand ihn dann in seinem verdunkelten Hotelzimmer, er faselte etwas von „ich kann nicht bleiben“, „es geht nicht“ und „es wird ein Unglück geben“.

Ich hatte eine kleine Assistentin, die manch einer als graue Maus bezeichnen würde. Eine ganz winzige, zarte, unscheinbare Person. Eine der kostbarsten Mitarbeiterinnen, die ich in meinem ganzen Leben gehabt hatte. Die war wie ein Löwe. Sie knurrte nur: „Hat uns zwei Tage gekostet dieser Mann, das können wir nicht brauchen“. Dann war er wieder weg, und wir haben es alleine gemacht. Ich habe vorhin ein bisschen über mich selbst gespöttelt als denjenigen, der nicht denkt, sondern die Dinge aus dem Bauch heraus macht. Irgendwie trennt es sich doch in zwei Aspekte, das mag bei Ihnen im Architektenleben nicht anders sein. Da ist einerseits diese Erfindungsebene, in der man entwirft. Das ist bei mir sehr bauchgesteuert. Ich denke da nicht wirklich viel. Das hat auch einen guten Grund, denn wenn ich bei diesen Sachen, von denen Sie ein paar gesehen haben, vorher schon denken würde, was es heißt, die zu realisieren, würde ich mich nie im Leben trauen, sie auch nur zu denken. Deswegen denke ich lieber nicht, sondern erfinde sie erst mal. Dann kommt die andere Seite, der andere Teil von mir. Ich habe auch einen Kopf, und der will dann gerne auch beschäftigt sein. Und deswegen macht mir das inzwischen einen Heidenspaß, das, wovon alle Leute sagen „es geht nicht, ist vollkommen unmöglich“ doch rauszukriegen und ihnen zu zeigen, wie es geht.

Publikum: Wenn wir Architekten den Auftrag bekommen, beispielsweise eine Kirche zu entwerfen, dann setzen sich bei uns Empfindungen oder Atmosphären frei. Aber es kommen auch eigene Erfahrungen sofort ins Spiel. Wie ist das bei Ihnen? Lesen Sie ein Stück, setzen sich dann Bilder frei, oder ist beispielsweise die grüne Wand eine physisch-sinnliche Erfahrung, die Sie mal gemacht haben, oder ist das ein Bild von einer grünen Wand, oder ist das ein Raum, den Sie irgendwann mal wahrgenommen haben? Also woher speist sich die Erfindung? Die kommt ja bestimmt nicht aus dem Nichts.

Peter Pabst: Nein, bestimmt nicht. Im Theater habe ich ein Skript, eine Vorlage. Das ist anders als in der Architektur. Ich habe nicht nur den Bauherrn, sondern der hat jetzt auch noch was geschrieben. Das kann ich lesen, das tue ich im Allgemeinen auch. Das wäre der rationale Weg, um zu einem Ergebnis zu kommen. Das ist auch das, was in Kunstakademien immer stattfindet. Das meine ich jetzt nicht als Spitze gegen den Lehrbetrieb. Aber die Kunstakademien, soweit sie Bühnenbild erklären, haben natürlich das große Problem, dass eben das Bühnenbild im Theater stattfindet und dass das Theater eine sehr komplexe Kunstform ist, an der sehr viele, sehr unterschiedliche künstlerische Talente beteiligt sind. Das eigentliche Kunstwerk ist ja nicht ein tolles Bühnenbild, sind nicht wunderbare Kostüme oder ein genialer Regieeinfall. Das eigentliche Kunstwerk ist nach meiner Auffassung das Bühnenstück, das Theater. Das, was sie im Theater zu sehen bekommen, muss zusammengehen. Das kann eine Kunstakademie, deswegen die kleine spöttische Bemerkung, nicht leisten in Deutschland. In anderen Ländern gibt es Theaterschulen, die diese komplexe Form einfach zusammenführen, indem sie die Form Theater in großen Akademien lehren. Da finden sich dann die unterschiedlichen Disziplinen zusammen. Die sind ein bisschen realitätsnäher in ihrer Ausbildung. In Deutschland ist das nicht so. 
Also das wäre der rationale Weg. Dann gibt es aber natürlich die Tatsache, dass sich mit den Jahren ein großer Schatz an Erfahrung ansammelt, an Erlebnissen, an Bildern. Das ist einem nicht immer bewusst. Irgendwann können sie plötzlich rausgekrochen kommen, wenn irgendetwas im Kopf sie plötzlich wachruft. 
Und das andere, das kann ich Ihnen, die Sie jetzt nachkommen, nur sagen, das halte ich für das Wichtigste: Dass man guckt, mit wirklich wachen Augen und vollkommen unverstellt. Die Erfahrung hilft einem dabei. Sie ermöglicht es, immer noch genauer, immer noch schneller, noch schlauer zu gucken, also Dinge wahrzunehmen, die scheinbar unscheinbar, aber in Wirklichkeit kostbar oder was ganz Ausgefallenes sind. Das ist, glaube ich, fast das Wichtigste, dass man gut gucken kann.

Publikum: Wie ist das mit der Perspektive des Schauspielers? Unter Umständen kann ja eine Atmosphäre durch den Schauspieler entstehen. Oder auf den Schauspieler wirken. Wie sehr richtet sich Ihre Bühnenbild an den Schauspieler?

Peter Pabst: Eine Parallele zwischen Architektur und Bühnenbildnerei ist, dass wir unsere Dinge bauen für Leute, die da drin wohnen und arbeiten oder irgendwas treiben. Das haben wir gemeinsam. Nur der Unterschied ist: Bei mir werden diejenigen dafür bezahlt, die in den Häusern wohnen, die ich baue. Schauspieler, Tänzer oder Opernsänger. Wir machen einen doppelten Salto. Es gibt noch eine zweite Instanz, die ist nämlich gemacht für den Zuschauer, der das Ganze von außen beguckt. Aus dem Grund nehmen wir die vierte Wand raus. Die vordere Wand. Wir haben einen Boden, zwei Seitenwände, eine Rückwand und eine Decke. Aber die vierte Wand, die nehmen wir raus, damit die Zuschauer reingucken können. Und das macht die Sache kompliziert.

Ich könnte mich jetzt entweder darauf verlegen, dem Publikum was zu erzählen, also ihm zu sagen: Schau doch mal, was ich für ein schönes Bühnenbild mache, und war ich da nicht gut? Dann hätte ich für das Publikum gebaut. Ich kann aber auch den anderen, den komplizierteren Weg gehen. Ich kann mein Haus bauen für diejenigen, die drin wohnen. Das sind die Schauspieler, Sänger oder Tänzer. Ich kann das im Vertrauen darauf machen, dass sie die Geschichte, um die es ja im Theater ohne Zweifel geht, auf eine schöne, spannende oder beängstigende Art und Weise erzählen. Das finde ich den richtigeren Weg. Dem liegt eine ganz praktische Überlegung zugrunde. Die Schauspieler haben nämlich gelernt Geschichten zu erzählen. Das kann ich als Bühnenbildner gar nicht. Ich kann ein Bühnenbild machen. Das Problem ist, dass wir immer wieder in die Verlegenheit oder in die Versuchung kommen, Geschichten zu erzählen. Das fängt eben an der Akademie an, weil wir keine Partner haben, mit denen wir uns streiten können. Wir lesen ein Stück, haben es verstanden. Aber da wir keine Schauspieler haben, die darin wohnen könnten, versuchen wir selbst die Geschichte zu erzählen und unser Bühnenbild so zu entwerfen. Das ist ein klassisches Missverständnis der Studenten. Manche Kollegen machen dann bis ins hohe Alter so weiter. Die können das auch ganz toll, machen ganz eindrucksvolle Bilder. Das Problem ist nur, dass der Vorhang aufgeht und die Zuschauer sehen, was ihnen der Bühnenbildner erzählt. Als durchschnittlich mit Intelligenz begnadeter Mensch brauchen sie zwischen 30 und 90 Sekunden, um die Geschichte zu verstehen, die er ihnen erzählt. Leider dauert der Akt noch 43 Minuten. Das ist das Problem beim Theater. Deswegen finde ich den Weg, die Erzählung über den Schauspieler zu machen, glücklicher. Dafür müssen Sie ihm eine Welt schaffen, in der er sich wohl fühlt. Aber er muss sich nicht nur wohl fühlen, manchmal kann man es ihm auch schwierig machen, man kann ihm auch Hindernisse in den Weg stellen. Deshalb die unterschiedlichen Erscheinungsformen. Ich kann ihm Atmosphären machen, um das Wort zu gebrauchen. Ich finde das für die Bühnenbildnerei den schöneren Weg.

Publikum: Sie arbeiten mit Mitteln, die den klassischen Architekten meistens nicht oder nicht in dem Umfang zur Verfügung stehen. Sie arbeiten intensiver mit Licht, Sie hatten Wasser in Ihren Räumen, und von Ihrer Ausstellung, die Sie 2008 in Bochum gezeigt haben, weiß ich, dass Düfte und Gerüche auch eine große Rolle spielen. Das sind alles Ingredienzien, mit denen Architekten in der Regel weniger tun haben. Was ist das für ein Cocktail, mit dem sie ihre Entwürfe generieren?

Peter Pabst: Da sind wir wieder bei einem Unterschied zwischen Architektur und Bühnenbildnerei. Sie als Architekten bauen ihr Haus immer in eine Umgebung. Das ist so. Das findet seinen Bauplatz, da wird es hingebaut und um den Bauplatz gibt es was drum herum. Mein Bauplatz ist eigentlich ein Nichtplatz. Das ist eine schwarze Höhle, die nicht mal eine Architektur ist, weil eine Bühne eine Nichtwelt ist, eine Nichtarchitektur. Natürlich ist sie gebaut worden, natürlich hat sie tausend technische Komplikationen, natürlich hat sie Hebe- und Zugeinrichtungen, Galerien, einen versenkbaren Boden und weiß der Himmel was alles. Aber in unserem Theatersinne ist das eigentlich nicht vorhanden. Also wenn ich eine leere Bühne habe, ist das nichts. Da muss ich anfangen, ich muss mir meine Umgebung aufbauen. Dasselbe gilt für das Licht, die Sonne, das Wetter oder die Klimazone. Das können und müssen Sie als Architekten alles berücksichtigen in einem Entwurf. Ich muss mir die Sonne zunächst machen, ich habe sie nicht. Das klingt erst mal schwieriger, ist aber eine große Freiheit. Es lässt einem viele Gestaltungsmöglichkeiten. 
Das Licht spielt natürlich eine Riesenrolle, das ist klar. Das Licht ist so ein starker Faktor, dass ich ein Modell ohne Licht gar nicht denken kann. Vor 20 Jahren habe ich mir mal von einem Elektriker eine Apparatur bauen lassen. Es ist ein richtiges kleines Stellwerk mit 20 Scheinwerfern und Filmprojektionen darin. Ich beleuchte und simuliere ständig damit und prüfe das Resultat.

Publikum: Sie haben sehr viele realistische, fast natürliche Gegenstände. Mir kam es auch so vor, als gäbe es gar keine Bühne, als würde man in eine realistische Welt schauen. Dieser Stein, die grüne Wand – das kam mir alles sehr real vor. Wie sehen Sie das? Geht es Ihnen um ein realistisches Ambiente, oder wird man realistischer, gerade weil es eine extrem künstliche Welt ist?

Peter Pabst: Es ist richtig, dass ich gerne Natur benutze. Das hat aber damit zu tun, dass mich Kunst, bildende Kunst, in meiner Arbeit nicht interessiert. Das interessiert mich aus einem bestimmten Grund nicht. Nicht weil ich sie nicht respektieren würde. Im Gegenteil, ich finde sie etwas ganz Wichtiges und ganz Tolles. Aber sie ist für mich nicht nutzbar. Denn in dem Moment, wo etwas Kunst geworden ist, hat es seine Form erhalten. Die kann ich nicht mehr benutzen, die hat jemand anderes gemacht. Ich brauche etwas, das ich irgendwie formen kann.
Und da gucke ich mich gerne in der Natur um. Und zwar aus zwei Gründen. Zum einen ist es eine Alterserscheinung. Natur interessiert mich immer mehr, die kann einen fast gottgläubig machen, weil sie so unglaublich vielfältig ist. Zum anderen ist sie nicht verbrauchbar. Das ist wie der Unterschied zwischen Holz und Stahl. Holz können Sie biegen, so oft Sie wollen. Es lässt nicht nach in seiner Elastizität, solange Sie den Bogen nicht überspannen und das Ding zerbrechen. Stahl können Sie auch biegen, aber irgendwann bricht er einfach durch. Die Natur ist weniger verschleißbar nach meinem Empfinden. Hinzu kommt noch ein anderer Aspekt. Sie gehört nicht, sie will nicht hinein in diesen Kunstraum Theater. Da gehört sie ja eigentlich auch nicht hin. Das Wasser gehört da nicht hin. Mit Wasser zu arbeiten, ist sperrig. Es sperrt sich, es entsteht sofort eine Spannung. Deswegen kommen Naturdinge bei mir so oft vor. Das ist wahr.

Publikum: Obwohl Sie mit Naturobjekten arbeiten, hatte ich den Eindruck, dass es gerade kein realistisches Ambiente sondern eher ein abstraktes Gefüge ist. Ein abstraktes Gefüge, das aber beim Betrachter trotzdem konkrete Bilder auslöst. Dadurch entsteht meines Erachtens die Spannung.

Peter Pabst: Das Ganze ist ein ständiges Spiel, ich bin ein sehr verspielter Mensch. Wasser ist einfach echt, das ist wirklich da und hat alle seine Qualitäten. Manchmal sind auch die Pflanzen echt. Und wenn ich den Akteuren auf der Bühne 10.000 Kilo Salz zwischen die Beine schmeiße, dann ist auch das Salz echt. Auch wenn es so aussehen mag wie Sand oder was anderes, ist es dennoch echtes Salz. Es gibt aber auch Sachen, die sind nicht echt. Die meisten Blumen sind nicht echt, weil sie das gar nicht durchhalten würden. Aber die Frage, ob sie echt sind oder nicht, hat nicht notwendigerweise mit der Frage zu tun, ob man denkt, es wäre wahr oder es wäre nicht wahr. Da kommt auch wieder ein komplizierter Aspekt von Atmosphäre hinein. Was ist es eigentlich, was einen etwas glauben lässt? Ein Theater ist ja seltsamerweise auch ein Ort des Glaubens oder ein Ort der Bereitschaft, etwas zu glauben. Dinge, die Sie im normalen Leben abtun würden, können in der Oper, im Zusammenhang mit der Musik, im Zusammenhang mit der Atmosphäre, wahrhaftig sein. Bei der Ausstellung, die ich 2008 in Bochum gemacht habe, habe ich natürlich mit dem Publikum gespielt. Ich habe das Foyer einfach in ein Feld rosa Nelken verwandelt. Und zwar vollständig. In dem Moment, in dem Sie die Tür aufmachen und dort hinein wollen, müssen Sie erst mal was tun, was Sie normalerweise nicht tun. Sie wollten nur eine Eintrittskarte kaufen, müssen sich aber bewegen wie ein Storch. Das geschieht automatisch. Denn das Feld von rosa Nelken ist ja schön. Das beeindruckt einen, und wenn man durch die Nelken muss, weil es die Karte erst hinten am Tresen gibt, versucht man das Blumenfeld nicht kaputt zu machen. Und wenn man es nicht kaputt machen will, geht man automatisch wie ein Storch.
Und dann passiert etwas, das auch mit Atmosphäre zu tun hat: Sie sehen sich gegenseitig. Sie sehen, was der da hinten macht, und machen dasselbe Komische. Dann haben Sie eine Gemeinsamkeit und kommen mit einer kolossal guten Laune in das Museum hinein. Das mag künstlich sein, aber es ist für diejenigen, die sich im Blumenfeld befinden, eine ganz reale Welt.

Publikum: Das hat auch sehr viel damit zu tun, dass man mit dem Körper agiert und in Bewegung ist. Wie beim Tanztheater. Sie schaffen auf der Bühne eine Illusion für die Tänzer, einen Raum, in dem sie sich mit ihrem Körper auf der realen Oberfläche bewegen. Sie schaffen weniger eine Atmosphäre für das Publikum, sondern Sie setzen die Tänzer einer Atmosphäre aus, die das Publikum dann über die Tänzer wahrnimmt.

Peter Pabst: Natürlich. Wenn ich Salz auf die Bühne schmeiße, ist das für die Tänzer schwierig. Das weiß jeder Mensch, der mal irgendwo an einem Strand entlang gegangen ist. Diese Schwierigkeit geht als gewisse (An-)Spannung in den Körper. Dasselbe passiert mit Wasser. Dieses Stück, in dem es regnet (ich nenne es spöttisch eines meiner Zen-stücke), ist fast asiatisch einfach. Es ist ein dunkler Raum, dessen Grenzen man nicht sieht. In dem gibt es einen schwarzen Streifen, das ist ein Fluss, der fließt. Der fließt aber so still, dass man nicht sieht, dass er fließt. Der einzige Weg, den Fluss zu überqueren, ist ein Felsen. Das ist sozusagen die Brücke. Das ist ein ganz stilles Bild, bleibt es auch für lange Zeit. Und nachher wird es tosend. Natürlich spielt da eine gewaltig hämmernde Musik eine Rolle, spielen gewaltige Rhythmen eine Rolle, aber ich musste denen Lust machen. Die müssen sich mit der Lust von kleinen Kindern, die sich am Strand mit Pampe beschmeißen, in dem Wasser bewegen. Denn wenn ich es nicht schaffe, wird es niemanden vom Sitz hoch reißen. 
Es ist die Temperatur, ganz einfach. Das Wasser habe ich geheizt. Das ist eine komplizierte Installation, aber das Wasser ist warm. Ich wusste, dass das Wasser mindestens 28 oder 30 Grad haben muss. Die müssen sich da reinschmeißen mit einer großen Lust, sonst hat das keinen Sinn. 
Es gibt ein anderes Stück, da habe ich auch Wasser benutzt, es ist eine ganz andere Form. Das ist auch eines dieser einfachen Stücke, es ist auch scheinbar kein Bühnenbild da, sondern nur ein sehr eleganter, ruhiger Boden. 12 cm breite Planken mit gleich mit dünnen Fugen, die sich in bestimmten Formen manchmal widersprechen, also quer zueinander gelegt sind. Weiter ist da nichts in dem schwarzen Raum. Und irgendwann, während das Stück läuft, passiert etwas, von dem man denkt, da ist etwas kaputt gegangen. Der Boden bekommt plötzlich Flecken. Diese werden immer größer. Es sieht aus, als wenn die Hydraulik kaputt gegangen wäre. Dann kommt noch mehr rausgequollen, einfach immer mehr. Das ist nichts weiter als Wasser, das von unten durch den Boden quillt und erst aufhört, als es ein großer See geworden ist. Und dann ist da auf diesem eleganten Boden ein See. Irgendwann verschwindet der auch wieder. 
Es kommt aber auch Wasser von oben, dieses Wasser ist kalt. Es hat die Leitungstemperatur, also etwa 12 Grad. Da gibt es einen Tanz drin. Der Tänzer hat immer gebettelt, ob ich es nicht warm machen kann. Aber ich habe es nicht warm gemacht. Zum einen aus technischen Gründen, weil ich Angst um den Holzboden hatte. Holz und Wasser vertragen sich nicht so gut miteinander, jedenfalls nicht, wenn es trockengelegt und wieder nass gemacht und wieder trockengelegt und wieder nass gemacht wird. Aber es hatte auch damit zu tun, dass dieser Tanz ein ganz anderer war. Der war von einer großen Härte, von einer großen Langsamkeit, von einer ungeheuren Strahlung. Der hatte gar nichts von Lust, das war Spannung, das war Härte, das war Dramatik. Und dafür war die Temperatur wieder ein ganz ausschlaggebender Faktor. Deswegen habe ich das kalt gelassen.

Publikum: Sie sind jemand, der überwiegend temporäre Räume schafft. Haben Sie eigentlich auch mal dauerhaft gearbeitet, jenseits der Bühne?

Peter Pabst: Nein, das habe ich nicht. Seit einiger Zeit frage ich mich, warum ich mir eigentlich nie ein Haus selbst gebaut habe. Aber ich habe es einfach nicht gemacht. 
Eines der Ziele der Architektur war bis vor nicht allzu langer Zeit die Ewigkeit. Die Dinge soSlten dauern. Das war ein ganz klares erklärtes Ziel. Das hat sich mit der Moderne etwas verändert, aber früher hat man für die Ewigkeit gebaut. Bei mir herrscht natürlich Vergänglichkeit. Die besteht schon darin, dass nach der Vorstellung alles wieder abgeräumt und woanders hin gebracht werden muss. Das beeinflusst einen natürlich stark.

Publikum: Man kann Bühnenbilder als Bild begreifen, man könnte blaues Wasser malen und sagen: das Bild erzählt von Wasser. Aber bei Ihnen spielt ja diese körperlich-sinnliche Erfahrung, die wir alle schon mal mit Wasser gemacht haben, eine große Rolle. Das heißt, Ihre Bühnen sind zwar vergänglich, aber sie rühren viel stärker an unserer eigenen Erfahrung. An der physisch-sinnlichen Wahrnehmung, die wir alle mal mit Wasser gemacht haben.
Das fand ich auch das Spannende an Ihrer Ausstellung in Bochum. Wenn man in diesen Waldraum kam, wo das Reh stand, machte man die Erfahrung: verdammt, ich war schon mal in so einem Wald und ich habe doch schon mal wirklich diesen Nebel hochkriechen sehen. Und dann noch dieser modrige Geruch. Das war nicht nur das Bild von einem Wald sondern die direkte Erfahrung, die hervorgerufen wurde. Insofern finde ich, ist es ist völlig unerheblich, ob ihre Dinge vergänglich sind oder nicht. Es geht auch weniger um die Dinge, um das Bild, sondern um die unmittelbare Erfahrung.

Peter Pabst: Was Sie sagen, beschreibt schon ziemlich genau den Kern oder die Zielrichtung vom dem, was ich versuche zu machen. Sinnlichkeit ist einfach einer der Schlüsselbegriffe im menschlichen Leben. Das finde ich einfach was ungeheuer Wichtiges. Also das Sinnliche, die sinnliche Erfahrung, die wir machen, ist etwas ganz Zentrales. Das ist auch etwas, was ich versuche, mit meiner Arbeit zu erreichen, weil ich glaube, dass es im Zuschauer viel intensiver wirkt und länger andauert. Deswegen versuche ich auch nicht, eine Geschichte zu erzählen.
Und ich glaube eben, dass die Dauerhaftigkeit im Prozess des Erinnerns liegt. Meine Räume existieren nur zeitlich begrenzt, aber die Erinnerung, die sinnliche Erfahrung bleibt - wenn die Arbeit gut genug gewesen ist und diesen Punkt im Zuschauer berührt hat.

Ich weiß, was für Dinge in meinem Leben bei mir einfach dageblieben sind und einen Teil meines Lebens heute noch darstellen, obwohl sie vielleicht ganz vollkommen banal oder nebensächlich waren. 
Ansonsten bin ich aber ein totaler Wegschmeißer. Ich habe kein Bild, ich habe keinen Entwurf, ich habe nichts behalten. Da ist nichts übrig geblieben. Und da ich nicht glaube, dass die Dinge aus Versehen passieren, sondern meistens doch ihren Grund haben, wird dies auch seinen Grund haben. Ich habe nie eine Schublade haben wollen, in die ich - wenn das nächste Problem meinen Weg kreuzt – hineingreifen kann, um die Lösung rausziehen. Ich wollte mir jedes Mal wieder eine blutige Nase holen, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass ich dabei was Neues lerne.

aus
Vortragsreihe „Grundbegriffe der Architektur“
Technische Universität Dortmund
Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen
© 2011 Edition Grundbegriffe, Dortmund
https://ab.tu-dortmund.de/


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